13.02.2014 | sia online | Clementine van Rooden

Energetisch vernetzt

Arealvernetzung als Beitrag zur Energiestrategie 2050

Das Expertengespräch «Das Gebäude im System“ im Rahmen der Veranstaltung Swissbau Focus widmete sich den Potentialen energetischer Synergien zwischen Gebäuden, Arealen und Quartieren. Es geht um optimale Vernetzung und die Integration dezentraler Energieerzeugungssysteme. 

Alleine durch Massnahmen in der Gebäudeautomation oder durch Betriebsoptimierungen kann der thermische und elektrische Energieverbrauch eines Gebäudes bis zu einem Drittel gesenkt werden. Ein weitergehendes Potenzial liegt in der Vernetzung von Gebäuden, wodurch Synergien genutzt werden können. Die im Sommer nicht nutzbare Abwärme beispielsweise aus Rechenzentren und aus Büronutzungen lässt sich inzwischen saisonal speichern, so dass sie im Winter über Wärmepumpen für die Heizungen der umliegenden Gebäude zur Verfügung steht. Insbesondere im städtischen Kontext können solche sogenannten Anergienetze wirkungsvoll sein.

Die drei Referenten Urs Peter Menti, Leiter des Zentrums für integrale Gebäudetechnik ZIG an der Hochschule Luzern, Gilbert Schnyder, Geschäftsführer Verteilte Einspannung in Niederspannungsnetze VEiN und Thomas Gautschi, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung Amstein+Walthert AG, präsentierten aktuelle Projekte im Bereich der Arealnutzung, die Untersuchungen dazu und ihre entsprechenden Erfahrungen.

Urs Peter Menti verdeutlichte in seinem Referat zu den Grundlagen der Arealvernetzung das Prinzip und die technischen Herausforderungen. Letztlich seien nicht die energieautarken Gebäude oder das Plusenergiehaus der wirkliche Quantensprung in Sachen Effizienzsteigerung, sondern die Vernetzung der einzelnen Gebäude zu einem System. Die ersten Anlagen – es seien schweizweit etwa ein halbes Dutzend – seien bereits in Betrieb, und sie laufen wirtschaftlich.

Bei langfristiger Betrachtung und Berücksichtigung aller Lebenszykluskosten könnten sie zwischen 20 und 30 Prozent Gesamteinsparungen erzielen. Doch noch sei man in der Pilot- und Demonstrationsphase; die Einschätzungen basieren bislang auf Planungswerten und Prognosen. Die grössten Hürden liegen allerdings in der Umsetzung von der Theorie in die Praxis und damit auf der reglementarischen Seite.

Dies bestätigte auch Gilbert Schnyder in seinem Referat über seine Erfahrungen beim Projekt «Verteilte Einspeisung in Niederspannungsnetze», kurz VEiN. Seit 14 Jahren wird im Rahmen des Projektes die dezentrale Einspeisung von elektrischer Energie in das Niederspannungsnetz eines Quartiers von Rheinfelden (AG) erforscht. Untersucht und erprobt werden dort dezentrale Stromproduzenten und Speicherelemente wie Photovoltaikanlagen, Leichtwindanlagen, Blockheizkraftwerke und Wasserwirbelkraftwerke.

«Alles ist in Ordnung, solange die Nachbarn die Anlage nicht sehen.» bedauert er. Darin liegt das Problem der dezentralen elektrischen Kleinanlagen – Windturbinen und Solaranlagen sind sehr präsent und vielfach fühlen sich Anwohner von ihnen gestört. Von einem wirtschaftlichen Betrieb seien sie ausserdem noch weit entfernt, da der Steuerungsaufwand beträchtlich ist. 

Die thermischen Anlagen, die Thomas Gautschi planen und umsetzen durfte, sind hingegen rentabel, und er stiess auf nur wenige Vorbehalte bei der Einholung von Bewilligungen – was zwei wesentliche Gründe hat: Anders als bei den elektrischen Anlagen können die Leitungen für thermische Anlagen in den Boden verlegt werden, zudem sind grosse Anlagen günstiger als kleine. Die realisierten Projekte für Hochschulen, Genossenschaften und Totalunternehmen sind wirtschaftlich, weil die Arealvernetzung die Betriebskosten innerhalb des Anlagen-Lebenszyklus erheblich reduziert. Am Campus ETH Zürich wird Wärme und Kälte gleichzeitig produziert. Der Mischpreis für die ins Gebäude gelieferte Energie bzw. die entnommene Abwärme liegt bei 10 bis 12 Rappen je Kilowattstunde – dynamisch gerechnet und mit einem Kapitalzinssatz von 3 bis 5 Prozent kapitalisiert.

Adrian Altenburger, Vizepräsident SIA und Präsident SIA-Fachrat Energie, brachte die Herausforderung der Technologie als Moderator auf den Punkt: Bei der Arealvernetzung thermischer Anlagen gebe es schon heute durchaus wirtschaftliche Projekte. Umgekehrt dürfte es im Bereich der Stromversorgung derzeit schwierig sein, mit Blick auf die Integration dezentraler Stromerzeugungsanlagen in gleicher Art und Weise eine Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Der Bereich gestalte sich zunehmend dynamisch und befinde sich insgesamt im Umbruch.

Auf diesem Gebiet steht man erst am Anfang der Entwicklung. Er halte es für wichtig, bei jedem Projekt auch mit Blick auf die energetischen Fragen in einer frühen Planungsphase das Umfeld zu analysieren – so wie es die Architekten mit dem städtebaulichen Kontext eines Gebäudes seit jeher praktizierten.

Clementine van Rooden, dipl. Bauing. ETH, Fachjournalistin BR

Das Gebäude im System - Arealvernetzung als Beitrag zur Energiestrategie 2050, Veranstaltung am Swissbau Focus. (Foto: Swissbau)