01.06.2018 | Mike Siering

Architektur und Ingenieurskunst zum Anfassen

An den kommenden Wochenenden zeigen die Architektinnen und Ingenieure des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) jüngst fertig gestellten Bauwerke: Am 9. bis 10. sowie 16. bis 17. Juni 2018 können interessierte Besucher wegweisende, elegante oder auch eigenwillige Objekte besichtigen – Baukunst zum Anfassen.

Mit 300 Objekten, die exklusiv besichtigt werden können, sind die «SIA-Tage der zeitgenössischen Architektur und Ingenieurbaukunst» die grösste Architekturausstellung der Schweiz. An zwei Wochenenden, vom 9. bis 10. sowie vom 16. bis 17. Juni 2018, führen die projektverantwortlichen Architektinnen und Ingenieure interessierte Besucher gemeinsam mit den Bauherrschaften durch die Gebäude und erläutern den Weg von der Idee bis zur Realisierung. Eine einmalige Gelegenheit, Bauwerke zu besichtigen, die sonst nicht zugänglich sind.

Auf der Webseite der «SIA-Tage» (www.sia-tage.ch) finden Sie die Informationen zu allen 300 Objekten mit den jeweiligen Besichtigungszeiten. Die Objekte können nach verschiedenen Kriterien, beispielsweise der Region, gefiltert werden – mit einem Klick wird die Reiseroute angezeigt. Ebenso zeigt die Seite die nächstgelegenen Objekte zum gewählten Besuchsort an.



Ausgewählte Projekte und Themen
Die baulichen Herausforderungen, die die Besucher während der SIA-Tage besichtigen können, sind vielfältig: städtisches Wohnen, Verdichtung, Änderungen der Nutzerbedürfnisse, Nachfrage nach öffentlichen Bauten, Bauwerke im alpinen Raum, Verkehrsbauten, Umnutzung von historischen oder landwirtschaftlichen Bauten und Geländen – eine reiche Palette zeitgenössischer Baukultur.

Aargau – Mutiger Umgang mit Baubestand
In Windisch wurde von Wülser Bechtel Architekten aus Zürich ein Haus aus den 1930er Jahren umfunktioniert: Aus zwei kleinen Geschosswohnungen und einer Mansarde wurde ein Einfamilienhaus für eine junge Familie. Einige Bauteile wurden entfernt, neue Elemente hinzugefügt. Die ursprünglichen Aufgaben und Spuren der Innenausstattung sind an vielen Stellen noch lesbar, an anderen wurden sie kompromisslos entfernt. Das kontrastreiche Haus lädt zu einer unkonventionellen Entdeckungsreise ein.

1_AG09_Foto_Nicolaj Bechtel


Bern – Verdichtung und Energieeffizienz in Bollingen

Bauliche Verdichtung in der Berner Agglomeration zeigt ein Projekt in Bollingen. Der Ersatzneubauau «Weiche Spitze» von hb architekten ag aus Düdingen ersetzt zwei Wohnungen durch vier Wohnungen. Die unkonventionelle Gebäudeform – ein Polygon – ergab sich durch die Form der Parzelle. Die spitzen Enden des Gebäudes werden durch Balkone abgerundet und zur «weichen Spitze». Der mehrheitlich aus Holz gestaltete Bau entspricht mit Wärmepumpen und Erdsonden dem Minergie-P-Standard. Die Erschliessungsleitungen für eine Solaranlage wurden vorbereitet und eine weitere Ertüchtigung zum Passivhaus (Minergie-A) ist vorgesehen.

2_BE17_Foto_Fred Niederhaeuser

Neuenburg – Wegweisende Verkehrsbauten
Auch Ingenieure laden an verschiedenen Orten zur Besichtigung ein: Ingenieurbaukunst ist beispielsweise am Neuenburgersee zu bestaunen. Der Verlauf der Nationalstrasse 5 und der Kantonsstrasse 5 war früher unübersichtlich, was viel Durchgangsverkehr im Stadtteil Serrières in Neuchâtel verursachte. Ein neuer Tunnel bringt Verkehrsberuhigung und mehr Wohnqualität im Ort. Die Überdachung des Tunnels erbaut von Groupement GREASE (Groupe GVH und BG ingénieurs conseils, St-Blaise), ist sorgsam ins Quartier eingebettet und ermöglicht den Bewohnern und Besuchern über eine grosszügige Grünfläche neu den direkten Zugang zum See.

3_NE11_Foto_Bureau Aquarius Neuchatel

Solothurn – Schwebende Eleganz
Branger Architekten AG aus Solothurn standen vor der Herausforderung, auf einer kleinen Parzelle ein Gebäude der Regiobank mit repräsentativer Erscheinung zu errichten, das über oberirdische Parkplätze und einen Drive-in Bankomaten verfügt. Die benötigte Manövrierfläche für Autos liess dem Gebäude nur minimalen Spielraum. Daraus resultiert eine eigenwillige, pilzartige Form mit schwebender Eleganz.

4_SO01_Foto_Marti AG

St. Gallen – Naturmuseum städtebaulich eingebettet
Das Naturmuseum St. Gallen, das Sammlungen für wissenschaftlich und kulturgeschichtlich bedeutendes Material aus dem 19. Jahrhundert beherbergt, ist eine Erweiterung der öffentlichen Bauten und Anlagen am östlichen Rand der St. Galler Kernstadt. Es verbindet sich über den gemeinsamen öffentlichen Raum mit der Kirche St. Maria Neudorf und dem Botanischen Garten und nimmt baulich Bezug auf diese benachbarten Gebäude. Der Freiraum zwischen den Gebäuden kann als Ausstellungsraum unter freiem Himmel genutzt werden. Geplant wurde das Museum von der Planergemeinschaft Naturmuseum St.Gallen, Michael Meier und Marius Hug Architekten AG mit Armon Semadeni Architekten GmbH, Zürich.

5_SG05_Foto_Roman Keller

Winterthur – Breiter Nutzungsmix unter einem Dach
Auffällig stark ist mit 20 Projekten die Teilnahme in der Region Winterthur. Das Mehrfamilienhaus von weberbrunner architekten AG aus Zürich, das ein altes Gewerbegebäude des ehemaligen Multihandwerks-Areal der Familie Hagmann ergänzt, ist ein repräsentatives Beispiel. Es wurde aus einheimischen Holzarten gebaut, entspricht dem SIA-Effizienzpfad Energie und verfolgt die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft. Neben preiswerten Wohnungen für Bewohner unterschiedlichen Alters sind dort auch Räume für die Gemeinschaft, Handwerksbetriebe und Arztpraxen vorgesehen. Idee des Familienprojektes der Hagmann-Nachkommen ist es, Menschen langfristig ein Zuhause bieten zu können, wobei der benötigte Raum den aktuellen Lebensumständen angepasst werden kann. Das neugestaltete Areal ist ein identitätsstiftendes Ensemble von Neu und Alt.

6_ZH31_Foto_Georg Aerni

Zürich – Anziehungspunkt Stadt
Die markante «Metzgerhalle» in Zürich-Oerlikon mit ihren auffälligen gerundeten Kunststeinfassaden und Fenstern stammt aus den 1930er Jahren. Sie wurde von Romero Schaefle Partner Architekten sanft saniert und mit einem neuen Wohn- und Geschäftshaus ergänzt; in dessen Innern entstanden Läden, Büros und Wohnungen mit Erkern, die das Westlicht einfangen. Das namensgebende Restaurant «Metzgerhalle» erfreut sich nach wie vor der Stammkundschaft und verbindet mit seiner sorgfältig re-novierten Innenausstattung den heutigen Trend für Vintage mit einem Stück Zürcher Stadtgeschichte und setzt einen Anziehungspunkt fern der Zürcher Innenstadt.

7_ZH19_Foto_Karin Gauch und Fabien Schwartz

Aargau – Mutiger Umgang mit Baubestand (Foto: Nicolaj Bechtel)

Bern – Verdichtung und Energieeffizienz in Bollingen (Foto: Fred Niederhaeuser)

Neuenburg – Wegweisende Verkehrsbauten (Foto: Bureau Aquarius Neuchatel)

Solothurn – Schwebende Eleganz (Foto: Marti AG)

St. Gallen – Naturmuseum städtebaulich eingebettet (Foto: Roman Keller)

Winterthur – Breiter Nutzungsmix unter einem Dach (Foto: Georg Aerni)

Zürich – Anziehungspunkt Stadt (Foto: Karin Gauch und Fabien Schwartz)