24.02.2012 | tec21 | Thomas Noack, Katharina Ramseier

Verdichtung = Gestaltung von Nähe

Wie kann innere Siedlungsentwicklung gefördert werden, und – vor allem – wie kann sie so gestaltet werden, dass damit eine nachhaltige Entwicklung des Lebensraums Sichergestellt werden kann? Diese Fragen stellten der SI A und der FSU ins Zentrum ihres Themenanlasses «Innere Siedlungsentwicklung – Erneuerung des Gebäudeparks», der im Rahmen von Swissbau Focus am 20. Januar 2012 in Basel stattfand.

Die Stadt Zürich hat genau hingeschaut und in ihrer kürzlich erschienenen Broschüre «Dichter» dreissig Beispiele grösserer Ersatzneubauten systematisch dokumentiert. Diese Beispiele belegen, dass die Erneuerung des Gebäudeparks in Zürich stattfindet und mit einer baulichen Verdichtung einhergeht. Doch während das gebaute Volumen zunimmt, steigen die Anzahl der Wohnungen und die Zahl der Bewohner nicht in gleichem Mass. Es werden grössere Wohnungen gebaut, und der Bedarf an Wohnraum pro Kopf steigt weiterhin, trotz den hohen Preisen.
Die Herausforderung einer Verdichtung nach innen liegt in der Schaffung eines Gleichgewichts zwischen Alt und Neu sowie im Respektieren und Weiterentwickeln der spezifischen Quartierstrukturen, welche letztlich auch die Identität der Stadt ausmachen. Laut Patrick Gmür, Direktor des Amts für Städtebau der Stadt Zürich, sind die städtebaulichen Muster im kompakten Stadtkörper mehr oder weniger bekannt und erprobt. Hingegen wirft die Verdichtung im durchgrünten Stadtkörper viel mehr Fragen auf. Gesucht sind gute Lösungen, welche die Qualitäten der bestehenden Quartiere erhalten.

Durch Projekte überzeugen
«Weder die Gemeinden noch die Grundeigentümer warten auf die Verdichtung», so Hans-Georg Bächtold, Generalsekretär des SIA. Deshalb fordert Bächtold die Raumplaner und Raumplanerinnen dazu auf, mittels realisierter Projekte aufzuzeigen, welchen Mehrwert die innere Siedlungsentwicklung bringt. In seinem Referat befasste er sich vor allem mit dem «Wie» dieser Projekte. Anhand von Beispielen der Entwicklung von Bahnhofsgebieten veranschaulichte er, dass mit der Erneuerung der bestehenden Gebäudestruktur und einer Umnutzung häufig gleichzeitig eine Neuregelung des Verkehrs und der Erschliessung erfolgen muss. Sei es die Klärung einer Bahnhofssituation mit den Zugängen zu den Gleisen, die Neugestaltung der Bushaltestellen oder die Umlegung des Durchgangsverkehrs. Erfolgreich realisierte Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass die Chance genutzt und eine Gesamtplanung mit den beteiligten Grundeigentümern erarbeitet wird, die alle Aspekte umfasst: dichteres Bauen, Gestaltung des öffentlichen Freiraums und Lösung der Verkehrsprobleme. Diese Prozesse brauchen oft sehr viel Zeit – und somit auch entsprechende Ausdauer und Leidenschaft der beteiligten Planer, Behörden und Grundeigentümer.

Individuelle Qualitäten Schaffen
Die anschliessende Podiumsdiskussion machte einen Punkt nochmals klar: «Die Planer müssen in die Stiefel.» Wilhelm Natrup, Kantonsplaner von Zürich, betonte, dass mit Analysen und Konzepten alleine keine innere Siedlungsentwicklung geschaffen werde: Erst das projektorientierte Schaffen führe zu Realisierungen.
Pascal Gysin, Präsident des Bundes schweizerischer Landschaftsarchitekten BSLA, unterstrich, dass für den öffentlichen Freiraum weniger die absolute Grösse wichtig sei als die individuellen Qualitäten, die aus diesen Freiräumen attraktive Aufenthaltsräume machen. Insbesondere sind laut Gysin auch Programme für die Nutzung und die Bespielung zu entwerfen. Hier ist die Kreativität der Landschaftsarchitekten in enger Zusammenarbeit mit den weiteren an der Planung beteiligten Partnern sehr gefordert.
Und gemäss Peter Gugger, Arbeitspsychologe, wird in Zukunft nicht mehr die absolute Grösse des Wohnraums für die Wahl einer Wohnung massgebend sein, sondern vor allem der gut gestaltete individuelle Raum, im Sinn eines Rückzugsraums. Eine höhere Dichte biete aber auch die Chance, Begegnungsräume zu schaffen, ist Gugger zudem überzeugt: «Dichte ist nicht nur bauliche Dichte, sondern eben auch Aktionsdichte und Bevölkerungsdichte – und hat somit viel mit der Gestaltung von Nähe zu tun.»

Instrumente und Beratungsangebote
Der abschliessende Workshop bot die Gelegenheit, einen Blick in die Werkzeugkiste der Planer zu werfen. «Raum+» (www.raumplus.ethz.ch) wurde als Methode vorgestellt, um Potenziale für die Orte zu erkennen, an denen innere Siedlungsentwicklung erfolgen soll. Hany Elgendy von der ETH Zürich wies auf das wesentliche Anliegen dieser Methode hin, den beteiligten Gemeinden Handlungswissen zu vermitteln, das ihnen schliesslich ermöglichen soll, eine konkrete Strategie für die innere Siedlungsentwicklung auszuarbeiten. Unter grösseren Gemeinden mit professionellen Bauverwaltungen ist das Thema wohl bekannt. Siedlungsentwicklung nach innen geschieht aber auch in vielen kleinen Gemeinden landauf, landab in der Schweiz. Hier setzt das Beratungsangebot der VLP-ASPAN (www.vlp-aspan.ch) an. Eine Sammlung von Planungsbeispielen steht den Gemeinden zur Verfügung. Dazu berät die VLP-ASPAN die Gemeinden in Bezug auf ein mögliches Vorgehen. Heidi Haag, Raumplanerin bei der VLP-ASPAN, betonte, dass die privaten Planungsbüros mit diesem Angebot in keiner Weise konkurrenziert werden sollen, sondern den Gemeinden eine Hilfestellung geboten werde, dank der sie mit den richtigen Fragen und einer Strategie ausgerüstet in die konkrete Planungsarbeit einsteigen können.
Am Schluss der Veranstaltung wurde die Diskussion anhand des Planungsbeispiels Polyfeld Muttenz (www.polyfeld.ch) und der dort durchgeführten Testplanung noch einmal sehr konkret. Christoph Heitz, Bauverwalter der Gemeinde Muttenz, konnte eindrücklich den Wert der Testplanungsergebnisse für die laufende Erneuerung des Gebäudeparks in diesem 35 ha grossen Gewerbe- und Bildungsareal aufzeigen.
Was bleibt als Fazit des Tages zurück? Das Thema ist aktuell, die Planer haben gute Werkzeuge zur Verfügung. Nun sind alle beteiligten Akteure aufgefordert, gemeinsam projektbezogene Lösungen zu entwickeln!

Thomas Noack, Verantwortlicher Raumplanung SIA
Katharina Ramseier, Vizepräsidentin FSU