25.06.2012 | sia online | Sonja Lüthi

«Tatort Raumplanung»

Ein bisschen wie eine Lobbyveran­staltung wirkte die Eröffnung der Wanderausstellung «DARUM Raum­planung» von SIA und ETH am 12. Juni 2012 in Bern, während gegenü­ber im Bundeshaus die Parlamentari­er bald zur Revision des RPG tagen sollten. Was zu tun ist, schien der auf dem Waisenhausplatz versammelten illustren Gruppe klar. Nun gilt es sich auf das Wie zu konzentrieren!

«Es ist ‹Tatort Raumplanung›», so SIA-Generalsekretär Hans-Georg Bächtold an­lässlich der Eröffnung der Wanderausstel­lung «DARUM Raumplanung» auf dem Waisenhausplatz in Bern. Obwohl Bächtold mit «Tatort» eigentlich meinte, dass Raum­planung im hier und jetzt geschieht und die Ausstellung deshalb zu den Orten und Men­schen wandert, erhielt der Ausdruck an die­sem verregneten 12. Juni 2012 noch eine andere Wendung. Drei Tage später sollte das Parlament sich in seiner Sommersession zum dritten Mal mit der Revision des Raumpla­nungsgesetzes (RPG) befassen¹, um letzte Differenzen zu bereinigen. Und hier witterten Kontrahenten aus dem Kanton Wallis eine Chance, den Gegenvorschlag des Bundes zur Landschaftsinitiative doch noch zu verhindern.

«Eine unschweizerische Sache»
Dass die Revision des RPG als Verschärfung des Bundesrechts unbedingt zu unterstützen ist, darin waren sich an diesem Abend alle Referenten aus den Kreisen SIA, ETH, Politik und Privatwirtschaft einig. Einigkeit herrschte somit auch über die Notwendigkeit einer «Siedlungsentwicklung nach innen» und auch darüber, dass die Frage weniger ist, was die Ziele sind, sondern wie diese zu er­reichen sind. Etwas weniger eindeutig waren dann erwartungsgemäss die Ansichten über das «Wie». Während Thomas Held, ehema­liger Direktor von Avenir Suisse, in seinem fulminanten Plädoyer für eine umsetzungsori­entierte Raumplanung unter anderem dazu aufrief, die Ausnützungsziffer in den Städten massiv zu erhöhen und für eine Bodenwert­steuer eintrat, warnte ETH-Professor Bernd Scholl vor übermässigen Eingriffen wie «Hochhausstädten», welche die Identität der Schweiz zerstören würden und generell vor Patentrezepten.

«Die entscheidenden Kräfte werden sich nicht so schnell ändern», gab sich allerdings auch Held keinen Illusionen hin. Zur Veran­schaulichung spannte er den Bogen von den 1960er Jahren – und dem Ruf von Max Frisch et al. nach einer Musterstadt – über die Vision einer «Waldstadt» oder «Stadt am See» ins Heute. Seine Diagnose, warum es anders kam: Raumplanung steht im Gegensatz zum Föderalismus, im Gegensatz zur Gemein­deautonomie, im Gegensatz zum Privatei­gentum – kurz: «Raumplanung ist eine sehr unschweizerische Sache.»

Der Diskurs ist eröffnet
Was sich aber in rasantem Tempo verändert, ist zurzeit der Diskurs über die Raumplanung, wie sowohl SIA-Präsident Stefan Cadosch als auch Held anmerkten. Während Cadosch mit Verweis auf die Zweitwohnungsinitiativ (zu der sich mittlerweile weitere Vorlagen gesellt haben²) auf das offensichtlich zunehmende Interesse der Öffentlichkeit an Fragen der Raumplanung hinwies, machte Held auf eine weitere, daran gekoppelte Ebene aufmerksam: Interessierte früher primär der Landschaftsschutz, später die städtebaulich-architektonische Ebene, mache sich heute ein gefährlich politisch motiviertes Interesse breit: der Wunsch nach einer Eingrenzung der Überbevölkerung bzw. Einwanderung in unser kleines Land. «Der Diskurs muss wieder auf eine raumplanerische Ebene gebracht werden!», schloss Held. Und genau hier setzt die Ausstellung an: Nicht ausschliesslich die Sorge über die (vermeint­lichen) Missstände soll im Zentrum der Aus­einandersetzung stehen, sondern für einmal wieder, was Raumplanung leisten kann!

Anmerkungen:

¹1 Die Teilrevision des RPG wurde am 15. Juni 2012 in der Schlussabstimmung im Ständerat mit 30:10 Stimmen und im Nationalrat mit 108:77 Stimmen angenommen. Am 26. Juni 2012 teilte der Schweizerische Gewerbeverband allerdings seinen Beschluss mit, das neue Raumplanungsrecht per Referendum zu bekämpfen.

²Am 17. Juni 2012 wurde im Kanton Zürich die Kulturlandinitiative zum Schutz von rund 1000 ha Ackerland im Siedlungsgebiet mit 54.5 Prozent der Stimmen angenommen, im Kanton Thurgau die Totalrevision des Planungs- und Baugesetzes mit Einführung einer Mehrwertabgabe mit 64.7 Prozent der Stimmen.

Sonja Lüthi, Redakorin SIA


WANDERAUSSTELLUNG «DARUM RAUMPLANUNG»

Bis zum 6. November 2012 tourt die Wanderaus­stellung «DARUM Raumplanung» der ETH in Zu­sammenarbeit mit dem SIA in einem Schiffscon­tainer durch alle Sprachregionen der Schweiz, um an insgesamt 19 prominenten Standorten für eine Woche Halt zu machen. Die Besucherinnen und Besucher können sich an sieben audiovisu­ellen Stationen anhand von Interviews und aktu­ellen Projekten über die vielfältigen Wirkungs­felder raumplanerischer Massnahmen infor-mieren – von der Ressourcenschonung über die Siedlungs- und Mobilitätsentwicklung hin zum Wirkungsbereich jedes und jeder Einzelnen. Eine achte Station mit historischen Filmaufzeich­nungen entführt die Besucher auf eine Reise durch 50 Jahre Entwicklungsgeschichte unseres Lebensraums. Ergänzt wird die Ausstellung in Zusammenarbeit mit den kantonalen Raumpla­nungsämtern jeweils um auf den Standort abge­stimmte «Regio-Flashs».
Der Tourplan, Informationen zu den Rahmenver­anstaltungen, die acht Filmdokumente sowie Lehrmittel für Schulklassen, welche besonders zum Ausstellungsbesuch ermutigt werden!, sind auf der Website abrufbar: www.darumraumplanung.ch

 

Wanderausstellung «DARUM RAUMPLANUNG» in Bern

Hans-Georg Bächtold, Generalsekretär SIA

Thomas Held, Soziologe, Berater und ehem. Direktor Avenir Suisse

Bernd Scholl, Professor für Raumentwicklung ETH Zürich

Stefan Cadosch, Präsident SIA | Fotos: Ralph Feiner