14.03.2022 | sia online | Laurène Kröpfli

Nice to know: Mobbing – Rechtliche Aspekte

Die Rechtsberatungen des SIA zeigen, dass SIA-Mitglieder immer wieder mit Mobbingthemen konfrontiert sind. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat eine gemobbte Person beziehungsweise eine Arbeitgeberin, in deren Betrieb eine Person systematisch schikaniert wird?

1. Arbeitsrechtliche Sicht
Die Arbeitgeberin hat gegenüber ihren Mitarbeitenden eine Fürsorgepflicht (Art. 328 OR). Gemäss dieser Bestimmung muss die Arbeitgeberin die Persönlichkeit des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin achten und schützen, auf deren Gesundheit gebührend Rücksicht nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit sorgen. In Bezug auf Mobbing hat die Arbeitgeberin alles zu unterlassen, was die persönliche Integrität der Arbeitnehmenden beeinträchtigen könnte. Gleichzeitig hat die Arbeitgeberin eine Handlungspflicht zum Schutz ihrer Angestellten. Bei Auftreten von Mobbing muss der Arbeitgeber Massnahmen ergreifen und so, beispielsweise gestützt auf Art. 321d OR, von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen. Gefordert sind nach Art. 6 des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (ArG) und Art. 2 VO 3 zum ArG auch präventive Massnahmen, namentlich die Gesundheitsvorsorge. Ein Beispiel hierzu ist der Schutz vor psychischen Belastungen im Betrieb. Werden die Präventionsbestimmungen verletzt, kann eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer nach Art. 54 ArG bei der zuständigen Behörde Anzeige erstatten. Unterlässt die Arbeitgeberin die erforderlichen Schutzmassnahmen oder sind diese unzureichend, so kann die gemobbte Person zudem nach erfolgter Androhung die Arbeit verweigern (Art. 324 OR). Erweist sich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses infolge Mobbings als unzumutbar, so hat die betroffene Person das Recht, dieses fristlos aufzulösen.

2. Strafrechtliche Sicht
Eine von Mobbing betroffene Person kann gegen den Aggressor Strafanzeige wegen übler Nachrede (Art. 173 StGB), Verleumdung (Art. 174 StGB), Beschimpfung (Art. 177 StGB), Drohung (Art. 180 StGB), Nötigung (Art. 181 StGB) etc. erstatten. Die genannten Straftatbestände können auch durch Unterlassen erfüllt sein, nämlich dann, wenn die Arbeitgeberin trotz Kenntnis einer bestehenden Mobbingsituation keine Schutzmassnahmen vornimmt.

3. Zivilrechtliche Aspekte
Einer von Mobbing betroffenen Person stehen die Rechtsbehelfe der Artikel 28 ff. ZGB zur Verfügung. Namentlich kann vom Gericht verlangt werden, dass die Persönlichkeitsverletzung zu unterlassen, zu beseitigen oder festzustellen sei. Ist dem Mobbingopfer aus der Persönlichkeitsverletzung ein Schaden entstanden, so hat es Anspruch auf Schadenersatz und allenfalls Genugtuung. Auch das Gleichstellungsgesetz gewährt Schutz vor Mobbing. Es regelt unter anderem die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (Art. 4 GlG) und stellt dem Opfer diverse Rechtsbehelfe zur Verfügung (Art. 5 GlG).

4. Standesrechtliche Situation
SIA-Mitglieder haben gemäss Art. 3 der Standesordnung (SIA 151) die Persönlichkeit ihrer Kolleginnen und Kollegen zu achten. Ein betroffenes SIA-Mitglied kann im Fall von Mobbing ein Standesverfahren gegen ein mobbendes SIA-Mitglied einreichen. Der SIA distanziert sich ausdrücklich von Mobbing und ruft seine Mitglieder auf, einen respektvollen Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitenden und Geschäftspartnerinnen zu pflegen.