14.02.2022 | sia online | Laurène Kröpfli
Nice to know: Erläuterungen zur «Haftung des Beauftragten» nach Art. 8.2 SIA 1001-1Der Artikel 8.2 der SIA-Vertragsvorlage 1001-1 «Planer-/ Bauleitungsvertrag» (2020) befasst sich mit der Haftung des Beauftragten. Dieser Artikel löst in der Praxis Unklarheit aus. SIA-Recht ordnet ein und zeigt die Fälle auf, in denen die Haftung beschränkt werden kann. 1. Warum hat der SIA diese Klausel in seiner Vertragsvorlage integriert? Planende haften für die getreue und sorgfältige Ausführung ihrer Arbeit. Das Gesetz sieht in diesem Zusammenhang eine unbeschränkte Haftung vor. Wird also im Vertrag keine Haftungsbeschränkung vereinbart, haftet eine Planerin oder ein Planer unbeschränkt für sämtliche begangenen Vertragsverletzungen, egal ob leicht- oder grobfahrlässig und unabhängig der Höhe des vereinbarten Honorars. Art. 100 Abs. 1 OR lässt aber im Rahmen der Vertragsfreiheit zu, die Haftung für leichte Fahrlässigkeit auszuschliessen oder einzuschränken. Es war dem SIA ein Anliegen, mit Art. 8.2 einen vertraglichen Spielraum zu schaffen, der es Planenden ermöglicht, ihre Haftung für leichte Fahrlässigkeit einzuschränken. Im Übrigen soll mit einer Haftungsbeschränkung auch das Streitpotenzial für eine leichtfahrlässig begangene Vertragsverletzung minimiert werden. Denn wo eine Regelung ist, ist auch Vorhersehbarkeit vorhanden. 2. In welchen Fällen kann nach Art. 8.2 SIA 1001-1 die Haftung beschränkt werden? Die Haftungsbeschränkung nach Art. 8.2 gilt im Allgemeinen nur für «Vertragsverletzungen», also wenn eine Planerin oder ein Planer eine vereinbarte Leistung entweder nicht erbringt oder diese unzureichend erfüllt. Im Einleitungssatz des Artikels ist von «mit leichter Fahrlässigkeit begangenen Vertragsverletzungen» die Rede. Damit demnach Art. 8.2 und somit die vertragliche Haftungsbeschränkung zur Anwendung kommt, muss die Vertragsverletzung leichtfahrlässig erfolgen. Die Haftung für absichtlich oder grob fahrlässig zugefügten Schaden kann weder nach Art. 8.2 der SIA-Vertragsvorlage noch nach dem Obligationenrecht vertraglich ausgeschlossen werden. Ob leichte, mittlere oder grobe Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz vorliegt, wird im Einzelfall geprüft und liegt üblicherweise im Ermessen eines Gerichts. Diese Begriffe sind im Gesetz nicht definiert. Grundsätzlich gilt: Bei Fahrlässigkeit handelt eine Planerin oder ein Planer sorgfaltswidrig. Vereinfacht gesagt gilt eine leichte Fahrlässigkeit als geringfügige Verletzung der erforderlichen Sorgfalt, wie beispielsweise das Verursachen eines Schadens aufgrund einer kurzen, spontanen Unachtsamkeit. Der Anwendungsbereich von Art. 8.2 ist somit eingeschränkt. Es ergeben sich allerdings für die Vertragsparteien drei Optionen. Wird keine gewählt, kommt die im Vertrag ausformulierte Auffanglösung zur Anwendung. Das bedeutet: Die Planerin oder der Planer zahlt für einen Schadensbetrag nur dann, wenn die Haftpflichtversicherung nicht für den Schaden aufkommt. In diesem Fall entspricht der maximal zu zahlende Betrag dem dreifachen Betrag der Totalvergütung. Wählt eine Planerin oder ein Planer die erste Option, wird die Haftung auf den Fall begrenzt, bei dem eine Haftpflichtversicherung den Schaden nicht decken würde. Der Schadensbetrag, für den die oder der Planende aufzukommen hat, kann hier mit einem bestimmten prozentualen Betrag zur Totalvergütung eingeschränkt werden. Diese erste Option eröffnet in Bezug auf die Auffanglösung einen Spielraum, da wie gesagt der Schadensbetrag prozentual festgelegt wird. So kann der vereinbarte Schadensbetrag denjenigen der Auffanglösung übersteigen oder massiv tiefer liegen als der dreifache Betrag der Totalvergütung. Die zweite Option macht keine Verbindung zu einer allfälligen Haftpflichtversicherung und begrenzt die Haftung für alle Schadensfälle im Umfang eines festgelegten Maximalbetrags. Wählen Planende die dritte Option, haften sie für alle Schadensfälle, und zwar unbegrenzt. Diese Option ist restriktiver als die Auffanglösung. Sie widerspiegelt die Rechtslage ohne abgeschlossenen Vertrag beziehungsweise die Rechtslage mit Vertrag, der aber keine Haftungsbeschränkung miteinschliesst. Mit dieser Option wird jedoch nicht per se der Beizug einer Haftpflichtversicherungsdeckung ausgeschlossen. Sie macht eine Haftung nur nicht von ihr abhängig. Abschliessend ist festzuhalten, dass die Frage, ob und inwiefern die Haftung einer Planerin beschränkt werden soll, unbedingt Verhandlungssache ist. |