05.03.2010 | tec21 | Daniel Kündig

Mehr Dimensionen in die Raumplanung

Dass in der Raumplanung Handlungs bedarf herrscht, ist mittlerweile nicht nur in Fachkreisen bekannt. Dennoch wird Fehlentwicklungen bis her wenig entgegengesetzt. In seinem Artikel macht SIA-Präsident Daniel Kündig auf Mechanismen der Zersiedlung aufmerksam und auf das Potenzial der SIA-Fachleute, Dinge zu ändern.

Die bisherige Raumplanung in der Schweiz ist keine reine Erfolgsgeschichte. Die Auslegeordnung in diesem Heft belegt diesen Tatbestand eindrücklich. Das Siedlungsgebiet hat sich - trotz Raumplanungsgesetz 1979 - laufend weiter ausgedehnt - überproportional zur Bevölkerungsentwicklung. Das heutige Bild der Schweiz ist das Abbild der Wünsche unserer Gesellschaft an den Raum und des politischen Systems, die diese Entwicklung ermöglicht haben. Dazu kommt dass mit Blick auf die Bodennutzung heute immer noch falsche Anreize gesetzt werden:

  • Die Gemeinden richten die Nutzungsplanung auf den Steuerwettbewerb aus
  • Die Kantone schaffen neue Flächen für die Wirtschaftsentwicklung
  • Mit Bauzonen lässt sich Geld verdienen
  • Das Potenzial der Erneuerung wird aufgrund der Komplexität und der damit verbundenen hohen Kosten zuwenig genutzt

Die heutige Zersiedlung ist aber auch das Ergebnis der Nachfrage, die ihrerseits das Ergebnis der Infrastrukturplanung ist. Eine belastende Folge davon ist die stete Zunahme der Mobilität mit ihren Auswirkungen auf die Umwelt. Es wurde geplant und gebaut. Die steigende Nachfrage nach Wohnraum und nach Erschliessungsanlagen unserer Gesellschaft wurde von Planern, Architekten und Ingenieuren weitgehend befriedigt und hat den Fachleuten auch des SIA Arbeit gebracht. Dass es nicht so weitergehen kann, ist offensichtlich. Was ist die Aufgabe des SIA mit Blick auf die Raumentwicklung Schweiz?

AUFGABEN DES SIA UND SEINER FACHLEUTE

Ziel des SIA sind ein nachhaltiges Bauwerk und ein nachhaltig gestalteter Lebensraum Schweiz. Mit Blick auf den Gesamtraum bedarf es einer ganzheitlichen Sichtweise unter Berücksichtigung von Stadtentwicklungs-, Mobilitäts- und Umweltfragen. Als Reaktion auf die fortschreitende Siedlungsentwicklung in die Fläche sind Ansätze zur Konzentration im urbanen Raum dringend notwendig. Mit seinen Fachleuten muss der SIA sich für eine Siedlungsentwicklung nach innen einsetzen mit hervorragenden und von den Menschen akzeptierten Lösungen. Es gilt, wohnliche, ressourcenschonende und energieeffektive Siedlungen mit für alle Menschen gut zugänglichen öffentlichen Räumen zu planen und zu realisieren.

Das Bevölkerungswachstum in der Schweiz liegt aktuell bei rund 80 000 zusätzlichen Einwohnenden pro Jahr. Das ergibt einen Jahreszuwachs in der Grösse der Stadt St. Gallen. Die Herausforderung für die Fachleute des SIA darf nicht länger der Umgang mit dem Sekundenverbrauch eines Quadratmeters Boden sein, sondern das Planen und Realisieren von neuen Städten. Architektinnen, Ingenieure und Planer mit ihrem Willen zur Realisierung müssen diese Aufgabe im Sinne der Interdisziplinarität anpacken. Heute und in Zukunft noch viel mehr sind Personen mit einer Ausbildung gefragt, die neben der Methodik des Analysierens auch das Handwerk der Umsetzung kennen und die wissen oder erlebt haben, wie man am besten durch den Gegenwind der politischen Realität steuert. Diese Fähigkeiten fehlen heute auf dem Markt. Der SIA muss sich um die entsprechende Ausbildung an den Hochschulen und in der Praxis bemühen.

SENSIBILISIERUNG FÜR WEITERE DIMENSIONEN

Unser Lebensraum besteht aus drei Dimensionen. Raumplanung muss sich daher in Zukunft nicht nur mit einem intelligenten Flächenmanagement und einer funktionsorientierten Bodennutzungskoordination beschäftigen, sondern neben urban- ökonomischen Betrachtungen sich um die Anordnung und Gestaltung des öffentlichen Raums und von Volumen im Raum bemühen eine Kompetenz von Architekten und Städtebauern. Das Denken in Prozessen auf der Zeitachse der vierten Dimension ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil, um Raumentwicklung qualitativ steuern zu können.

Eine zentrale Aufgabe des SIA als Verein mit unabhängigen Experten besteht zudem darin, Expertisen für die Planungsträger von Bund, Kantonen und Gemeinden zu erarbeiten. Dabei ist zu berücksichtigen: Raumplanung ist heute vorab eine politische Disziplin und bedeutet immer mehr Politikberatung. Sie benötigt in einem hohen Mass persönliches Engagement, politisches Gespür, gesellschaftliche Akzeptanz, Hartnäckigkeit, Geduld und Leidenschaft. Das sind Merkmale und Eigenschaften, für die es unsere Jugend und Auszubildende zu sensibilisieren gilt. Für eine solche Entwicklung müssen unter der Federführung des SIA die politischen Rahmenbedingungen mitgestaltet und die Kompetenzen der Akteure entwickelt werden.

Daniel Kündig, Präsident des SIA