14.05.2020 | sia online | Kommunikation SIA

Konjunktur- und Geschäftslage verschlechtert sich im zweiten Quartal 2020 deutlich

Laut der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) wird die Schweiz von März bis Juni 2020 mit einem Verlust der Wertschöpfung zwischen 22 und 35 Milliarden Franken rechnen müssen. Ein düsteres Szenario für die Schweizer Wirtschaft. Wie aber schätzt die Planungsbranche ihre Situation ein?

In einer «Szenario-Analyse zu den kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie» hat die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) vier Szenarien skizziert, wie sich der Lockdown auf die Schweizer Volkswirtschaft auswirken könnte. Das düsterste Szenario geht von einem Verlust von 35 Milliarden Franken aus – wobei bei diesem ein vorsichtiges Ausatmen angezeigt ist, geht es doch von einem zweimonatigen Lockdown aus. Gleichzeitig zeigt der KOF-Bericht, dass drei Treiber für die Verluste verantwortlich sind: die internationale Entwicklung, die Lockdown-Massnahmen in der Schweiz und die krankheitsbedingen Ausfälle inkl. den Quarantänemassnahmen.

Baugewerbe kommt relativ glimpflich davon
Baugewerbe kommt relativ glimpflich davon Wenn man in diesem Zusammenhang von einer guten Nachricht reden kann, dann vielleicht von der, dass das Baugewerbe relativ glimpflich davonkommt – sofern wenige Arbeitnehmende unter Quarantäne gestellt werden müssen und die inländische Nachfrage intakt bleibt. Denn das Baugewerbe ist nicht so stark vom internationalen Geschäft abhängig und reagiert deshalb weniger auf Änderungen im internationalen Umfeld. Wie schätzen aber die Planenden ihre Situation selbst ein? Die Ergebnisse der KOF-Konjunkturumfrage im Projektierungssektor vom April 2020 zeigen eine deutliche Verschlechterung der konjunkturellen Lage. Annähernd 38% der an der Umfrage Teilnehmenden beurteilen die Geschäftslage als gut, 49% als befriedigend und 13% als schlecht. Bei der Ertragslage der letzten drei Monate rapportieren 19% der Befragten eine Verschlechterung, 73% eine gleichbleibende und 9% eine bessere. Die Reichweite der Auftragsbestände sinkt von 11.3 Monaten im ersten Quartal 2020 auf 9.9 Monate im zweiten Quartal 2020 (saisonbereinigt). Die Planungsbüros schätzen ihre Aussichten bezüglich der erwarteten Entwicklung der Geschäftslage deutlich pessimistischer ein als noch im Februar. 51% der Unternehmen erwarten keine Veränderung in den nächsten sechs Monaten, 45% eine Verschlechterung und nur rund 4% eine Verbesserung. Im Februar erwarteten noch 82% der Unternehmen eine gleichbleibende, 5% eine schlechtere und 13% eine bessere Geschäftslage. Auch die saisonbereinigten Saldi der erwarteten Leistungserbringung, der Ertragslage sowie der Nachfrageentwicklung in den nächsten drei Monaten sank in der April-Umfrage deutlich unter null. Es berichten vermehrt Unternehmen, dass neben Mangel an Arbeitskräften, ungenügender Nachfrage, finanziellen Restriktionen sowie Engpässen bei technischen Kapazitäten auch noch andere Faktoren existieren, welche die Leistungserbringung hemmen. Unverändert berichten rund 27% der Planungsbüros, dass sie keine limitierenden Faktoren bei der Leistungserbringung feststellen.

Architekturbüros revidieren ihre Erwartungen
Die Einschätzung der konjunkturellen Lage durch die Architekturbüros trübt sich ein. Im April beurteilen rund 33% die Geschäftslage als gut, 48% als befriedigend und 19% als schlecht. Die Architekturbüros revidieren ihre Erwartungen hinsichtlich der Geschäftslage, der Leistungserbringung und der Ertragslage im Vergleich zum März deutlich nach unten. 51% der Unternehmen erwarten, dass die Nachfrage in den nächsten drei Monaten unverändert bleiben wird, 44% erwarten eine Abnahme und 7% eine Zunahme. Im März rechneten noch 74% mit einer stabilen Nachfrage, 17% mit einer Abnahme und 11% mit einer Zunahme. Zurzeit berichten 46% der Unternehmen, dass eine ungenügende Nachfrage die Leistungserbringung hemmt. Die Reichweite der Auftragsbestände sinkt saisonbereinigt von 11.5 Monaten im ersten Quartal 2020 auf 10.9 Monate im zweiten Quartal 2020.

Auch die Erwartungen der Ingenieurbüros trüben sich ein
Die Ingenieurbüros zeigen sich im April hinsichtlich der konjunkturellen Lage deutlich pessimistischer als noch im März. 41% der Unternehmen beurteilen die Geschäftslage als gut, 50% als befriedigend und 9% als schlecht. Lediglich 2% der Ingenieurbüros rechnen mit einer Verbesserung der Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten, 51% mit keiner Veränderung und 47% mit einer Verschlechterung. Im März rechneten noch über 80% der Unternehmen mit keiner Veränderung der Geschäftslage. Auch die Erwartungen hinsichtlich der Ertragslage, der Leistungserbringung und der Nachfrage reduzieren sich. Gleichzeitig sinkt die Reichweite der Auftragsbestände saisonbereinigt von 11.2 Monaten im ersten Quartal 2020 auf 9.3 Monate im zweiten Quartal 2020. Während sich in den letzten eineinhalb Jahren rund die Hälfte der Ingenieurbüros über einen Mangel an Arbeitskräften beklagte, sind es jetzt nur noch rund 40%..

Starke Aufhol- oder langfristige Hystereseeffekte: Das ist die Frage
Fakt ist, beim ersteren handelt es sich um eine Analyse und beim letzteren um eine Prognose. Beide basieren auf Annahmen. Die KOF schreibt in ihrer Analyse, dass die mittel- bis langfristigen Kosten stark vom weiteren Verlauf der Pandemie sowie von den getroffenen wirtschaftspolitischen Massnahmen abhängen. So seien sowohl starke Aufholeffekte wie auch langfristige Hystereseeffekte – Fortdauer einer Wirkung bei Wegfall der Ursache – möglich. Auch Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, sagt in seinem Interview in der Sonntagszeitung vom 10. Mai 2020, die entscheidende Frage sei, ob der (wirtschaftliche) Einbruch kurz bleibe und dann eine rasche Erholung folge oder ob die Schweizer Wirtschaft mit länger anhaltenden Folgen rechnen müsse. Da tut es auch nichts zur Sache, ob die aktuelle Situation der grösste wirtschaftliche Einbruch seit der Grossen Depression der 1930-er Jahre oder seit dem Zweiten Weltkrieg oder seit der Ölkrise in den 1970-Jahre ist. Denn eins ist klar, der Schweizer Wirtschaft bläst eine steife Brise entgegen. Und das bedeutet für alle, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen.


Die vollständige «Szenario-Analyse zu den kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie» der Konjunkturforschungsstelle der ETZ (KOF) finden Sie hier.