20.12.2017 | sia online | Hans-Georg Bächtold

Herbstplenarversammlung bauenschweiz: Das Kapital der Planungsbranche

SIA-Präsident Stefan Cadosch und Jean-Marc Jeanneret aus dem Vorstand des VSS erläuterten an der Herbstplenarversammlung von bauenschweiz den Wert der Baunormung: Auf jährlich 13 Mio. Franken beziffert sich der Wert der Normenarbeit von VSS und SIA.

Der SIA und der Schweizerische Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) verantworten in der Schweiz die Baunormen – der SIA jene für den Hoch- und Ingenieurbau, der VSS jene für Strassen und Verkehrsbauten. Das Normenschaffen des SIA begann im Jahr 1883 mit der Backsteinnorm, der VSS wurde mit dem Autobahnbau ab 1960 die zentrale Schweizer Normierungsinstanz in Sachen Verkehr. Seither hat der VSS sein Normenwerke stetig ausgebaut und passt es laufend den Entwicklungen in der Mobilität an.

Ausser Zweifel steht für alle auf Seiten des SIA wie auch des VSS Mitwirkenden: Normen sind einfacher zu handhaben und besser zu implementieren als Weisungen, die in der Regel einen politischen Prozess durchlaufen müssen. Sie stellen die Kompetenz und Eigenverantwortung der sie anwendenden Fachleute in den Vordergrund, ja fordern sie sogar ein. Dem Grundsatz folgend «Nur so viele Normen wie nötig – so wenige wie möglich», sind die Normen des SIA und des VSS, entgegen einer weitläufigen Meinung, kein Beitrag zu noch mehr Regulierung, sondern ein bewusst gesetzter Kontrapunkt zur heutigen «Kontroll- und Überadministrationstendenz», und damit auch ein Beitrag zur Entlastung der Gesetzgebung.

Milizsystem bewahren
Wie auch beim SIA werden die Normen des VSS paritätisch in Kommissionen von Planern, Auftraggebern, Unternehmern, Lieferanten und Behörden unter Einbezug der Hochschulen erarbeitet. Nach wie vor wird das Normenschaffen bei beiden Vereinen von freiwillig mitwirkenden Fachleuten getragen, sprich im Milizsystem oder Volontariat erbracht. So ist die Normierung geprägt von einem intensiven Austausch zwischen Forschung, Praxis und Wissensvermittlung. Frauen und Männer aus allen Regionen der Schweiz, selbstständige Planerinnen und Architekten, und solche von den Hochschulen, von kommunalen, kantonalen und nationalen Ämtern finden sich in Kommissionen zusammen, bearbeiten eine Norm und entwickeln sie weiter. Der tatsächliche Bedarf und das Fachwissen der Leute, die anschliessend mit der Norm arbeiten, werden so umfassend einbezogen. Das ist die Grundlage für den Erfolg.

Kostengünstige Finanzierung
Der VSS gibt pro Jahr rund 4 Millionen Franken für die Pflege und Weiterentwicklung seiner Normen aus. Die Tätigkeit der zahlreichen Experten und Expertinnen, die dabei freiwillig mitwirken, ist in diesem Betrag nicht enthalten. Rechnet man für diese ca. 21'000 Stunden zum Ansatz von 180 Franken, dann ergibt sich ein monetärer Wert der VSS-Tätigkeit von insgesamt gegen 7,36 Millionen Franken. Mit anderen Worten: Könnte sich der VSS nicht auf zahlreiche, milizionär Mitwirkende verlassen – analog gilt das auch für den SIA – müsste er mit diesem jährlichen Aufwand rechnen.

Der VSS finanziert sich zu rund 62 Prozent mit den Einnahmen aus dem Normenverkauf. 2016 steuerte der Hauptauftraggeber, das ASTRA, 120'000 Franken oder rund 3 Prozent bei. Der Rest ergibt sich aus Mitgliederbeiträgen (19%) und aus Erträgen von Weiterbildungsveranstaltungen (16%). Der SIA finanziert die Erarbeitung und Weiterentwicklung seiner Normen zum grossen Teil mit den Vereinsbeträgen der SIA-Mitglieder und dem Verkauf der Normen: etwa 4.5 Millionen Franken pro Jahr. Vereinzelte SIA-Normenprojekte werden zusätzlich von Dritten mit Beiträgen unterstützt. Zum Vergleich: Eine staatlich-amtliche Normierung dürfte pro Jahr etwa 13 Millionen Franken kosten.

Forderungen des VSS und des SIA
Aus diesen Gesichtspunkten leiten sich die folgenden gemeinsamen politischen Forderungen von VSS und SIA ab:

1. Die Normierung für die Planungs- und Bauwirtschaft muss weiterhin in den Händen des SIA und des VSS bleiben und nach deren Strategie weiterentwickelt werden. Normen aus der Praxis für die Praxis!

2. Das Normenwerk von SIA und VSS muss in Einklang mit seiner europäischen Entsprechung ge-bracht werden, ohne dass es seine auf das Modell Schweiz zugeschnittenen Grundsätze aufgibt.

3. Wir wenden uns mit Nachdruck gegen die undifferenzierte Gleichsetzung der SIA- und VSS-Normierung mit Überregulierung. Die Schweiz funktioniert mit SIA und VSS Normen einfacher und besser!

4. Der Forderung nach Gratisabgabe der SIA- und VSS-Normen muss ebenfalls ein Ende bereitet werden.

5. Das Milizsystem von SIA und VSS beim Normenschaffen muss gestärkt werden!

6. Normierung, Forschung und Praxis gehören zusammen.

7. Baukultur, Erdbeben, Brandschutz, Naturgefahren, Digitalisierung: Der SIA und der VSS stellen sich den Herausforderungen der Gegenwart wie auch der Zukunft.


Hans-Georg Bächtold, Dipl. Forst-Ing. ETH/SIA - Raumplaner ETH/NDS, Geschäftsführer SIA hans-georg.baechtold(at)sia.ch

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