15.03.2019 | sia online | Hannes Treier

Föderation Europäischer Nationaler Ingenieurverbände (FEANI) - Gemeinsam die Stimme der Ingenieure stärken

Von der Förderung der MINT-Fächer und digitaler Kompetenzen bis hin zur Verankerung der UNO-Nachhaltigkeitsziele – die «Föderation Europäischer Nationaler Ingenieurverbände» verfolgt Projekte, die auch Ingenieurinnen und Ingenieure in der Schweiz vorwärtsbringen.

Ohne Ingenieurinnen und Ingenieure gäbe es keinen Gotthard-Tunnel. Die hiesigen gelten auch als Pioniere im Seilbahnbau und im Entwickeln von Solarmobilen sowie von Bestandteilen für Weltraumraketen. Sie konstruieren Gebäude, Brücken und Staudämme, konzipieren Maschinenparks und Elektrogeräte. Vom Bausektor über die Automobilindustrie bis zur Medizintechnik deckt das Ingenieurwesen viele Bereiche ab. Entsprechend hoch ist die Zahl spezifischer Berufe, die sich mit dem technologischen Fortschritt laufend weiterentwickeln. Job-Portale widerspiegeln die grosse Vielfalt: Verfahrens-, Verkaufs-, Design-, Applikations- oder System-Ingenieure sind heute sehr gesucht. 

Qualifizierte Ingenieurfachkräften gesucht
Aufgrund der hohen Nachfrage an qualifizierten Ingenieurfachkräften ist es nicht verwunderlich, dass sie händeringend gesucht werden. Doch der Bedarf an fähigen Mitarbeitenden, kann bei weitem nicht gedeckt werden. Denn es gibt in Europa nicht genügend Nachwuchskräfte, um die zahlreich in Pension gehenden Ingenieure zu ersetzen (Stichwort Babyboomer) und um den steigenden Bedarf der Wirtschaft zu befriedigen. Ein Grund dafür ist die mangelnde öffentliche Wahrnehmung und Anerkennung dieses für die Gesellschaft und Wirtschaft so wichtigen Berufsstands. Ein weiterer Grund ist, dass sich nach wie vor zu wenig Frauen für ein Ingenieurstudium begeistern. Hier sind Arbeitgeber sowie -nehmer bzw. Industrie, Politik und Behörden gleichermassen gefordert. Und hier setzt auch FEANI an.

Gemeinsam treten die Mitgliederländer des europäischen Dachverbands, zu denen auch die Schweiz gehört, für die Interessen der Ingenieurinnen und Ingenieure ein, verstärken die Zusammenarbeit und Vernetzung und «bauen Brücken» zu den verschiedenen Anspruchsgruppen (siehe Kasten). Unter anderem hat sich FEANI die Positionierung und vermehrte Publikmachung des Ingenieurberufs mit seinem «Mehrwert» auf die Fahne geschrieben. 

Junge für MINT-Fächer begeistern
Eine wichtige Voraussetzung, um geeignete Nachwuchskräfte zu rekrutieren und dabei vor allem mehr Junge für den Ingenieurberuf zu gewinnen, ist die Förderung der MINT-Fächer - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - in der Ausbildung. Unter der organisatorischen Leitung des norwegischen Ingenieurverbands unterstützt die FEANI-Arbeitsgruppe «STEM» (Science, Technology, Engineering, Mathematics) den praktischen Erfahrungsaustausch zwischen den Ingenieurverbänden in Europa. In der Schweiz engagiert sich zu diesem Thema nebst vielen anderen Organisationen die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) die das Land in der «EU STEM Coalition» vertritt.

Qualitätsprüfung von Aus- und Weiterbildungen
Ein weiteres Engagement von FEANI ist der Aufbau und die laufende Pflege der «European Engineering Education Database» (EEED). Diese soll alle Ausbildungsinstitutionen und Ingenieurlehrgänge in Europa abbilden, welche definierte Mindestanforderungen an das Studium erfüllen und von FEANI entsprechend geprüft werden. Die EEED dient Arbeitgebern bei ausländischen Bewerbungen und angehenden Studenten sowie Arbeitnehmern dazu, die Qualität von Hochschulen und Aus- und Weiterbildungen beurteilen zu können. Auch die hiesigen Fachhochschulen und die ETH/EPFL profitieren von einem Eintrag ihrer Lehrgänge in der Datenbank, indem sie so Interessierte aus dem Ausland zusätzlich auf ihre Angebote aufmerksam machen.

Attraktivität des Ingenieurberufs verbessern
Den Ingenieuren Europas eine starke Stimme zu verleihen und ihnen in Brüssel ein grösseres politisches Gewicht zu geben: Das sind die Ziele der letzten September unter der Federführung von FEANI gegründeten «European Engineers Advisory Group (EEAG)». Bisher beteiligen sich 17 führende europäische Organisationen an der neuen Allianz. Eine der Prioritäten ist, Status und Image des Ingenieurberufs zu verbessern und dessen Attraktivität zu steigern, um so genügend qualifizierte Fachkräfte nachzuziehen. Dazu gehört auch die Einbindung verschiedener Jugendorganisationen (EYE, BEST) auf europäischer Ebene.

Fachkräfte fit für die Zukunft machen
Gleichzeitig ist der künftige Bedarf nach Ingenieurleistungen im digitalen Zeitalter bzw. sind die dafür benötigten Kompetenzen sicherzustellen. Dazu gilt es, Ingenieurinnen und Ingenieure für die damit einhergehenden beruflichen Veränderungen und für den Einsatz von Artificial Intelligence fit zu machen.

Unter dem Titel «Engineers for Europe (E4E) Knowledge Alliance» stehen drei Arbeitspakete auf der Agenda der European Engineers Advisory Group. Geplant sind unter anderem eine Informationsplattform zu den verschiedenen Ingenieurberufsbildern sowie Services und Tools zur Aus-/Weiterbildung und Karriereentwicklung. Der schnelle digitale Wandel bedingt ein lebenslanges Lernen mit entsprechenden Nachweisen (CPD für «Continuous Professional Development»).

«EUR ING»-Titel: ein landesübergreifender Kompetenznachweis
Um Stellenbewerbenden den Zugang in einem anderen Land (wie der Schweiz) zu erleichtern und die Mobilität von Ingenieurinnen und Ingenieuren zu fördern, bedarf es der europaweiten Anerkennung von Titeln und Diplomen. Ein bewährter landesübergreifender Kompetenznachweis ist der «EUR ING»-Titel. Dieser wird von allen FEANI-Mitgliedsländern als qualifizierter Berufsausweis «europäischer Ingenieur» akzeptiert. Er wird vom Verband auf Antrag ausgestellt und in einem zentralen Register geführt. Erforderlich ist ein in der EEE-Datenbank aufgeführter Abschluss, eine Berufserfahrung von mindestens vier Jahren für Bachelor- und zwei Jahren für Master-Absolventen sowie die Mitgliedschaft in einem nationalen Ingenieurverband. Aktuell sind gegen 33 000 «EUR-ING»-Titel vergeben, rund 1000 davon gingen an Personen in der Schweiz.

UNO-Nachhaltigkeitsziele implementieren
Vom energieeffizienten Bauen bis zur Entwicklung emissionsarmer Anlagen – Ingenieurinnen und Ingenieure leisten mit ihrer Arbeit auch einen wichtigen ökologischen Beitrag an die Umwelt. Um dies zu untermauern, wurde am «National Members Forum» im April 2018 beschlossen, dass sich FEANI der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung annimmt. Damit ergreift der Verband die Chance, die Bedeutung von Ingenieurleistungen zu diesem Thema hervorzuheben und mit seinen Mitgliedern und Fachleuten auf Lösungsfindungen Einfluss zu nehmen. Mehrere der 17 «Sustainable Development Goals (SDG)» der Vereinten Nationen können nur dank Ingenieurleistungen erreicht werden. Dazu will FEANI den länderübergreifenden Austausch von Best Practices fördern.

Swiss Engineering und SIA aktiv dabei
Im Rahmen einer Umfrage wurde erhoben, inwieweit sich die nationalen Ingenieurorganisationen mit den Nachhaltigkeitszielen der UNO befassen. Auch Swiss Engineering und SIA beschäftigen sich mit verschiedenen Themen, die direkt und indirekt Bezug zu einzelnen SGD nehmen. Dazu gehören neben themenspezifischen Seminaren für die Mitglieder konkrete Massnahmen: wie Steigerung der Ausbildungsqualität sowie Förderung von Ingenieurinnen.

Weitere Schnittstellen und Schwerpunkte sind die Ingenieurleistungen zur «erschwinglichen und sauberen Energie» und zum nachhaltigen Wachstum. Die Schweizer Organisationen unterstützen dabei aktiv die Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes, in der wiederum die UNO-Vorgaben 2030 verankert sind – sei dies beispielsweise mit gezielter Nachwuchsförderung und speziell darauf ausgerichteten (Master- oder Passerellen-)Studiengängen, mit der Realisierung von energieeffizienten Bauweisen und -standards oder mit der Sensibilisierung und Information der eigenen Mitglieder, Politik und Öffentlichkeit für die Themen der Nachhaltigkeit.

 

Hannes Treier, Präsident des Schweizer Nationalkomitees FEANI

FEANI

Dieser Artikel ist in Swiss Engineering STZ Nr. 2 erschien und wird mit deren freundlicher Genehmigung publiziert

 

«Schweizer Nationalkomitee» – Bindeglied zu FEANI

In der «Föderation Europäischer Nationaler Ingenieurverbände» (FEANI) sind 34 Länder mit rund vier Millionen Ingenieurinnen und Ingenieuren vertreten. Der kleine Schweizer Dachverband «Nationalkomitee FEANI» bildet mit seinen beiden Mitgliedern, Swiss Engineering STV und SIA, seit der Gründung von FEANI im Jahr 1952 das Bindeglied zum europäischen Dachverband und zur WFEO, dem Weltverband der Ingenieure. Das Nationalkomitee FEANI setzt sich paritätisch zusammen aus je vier Personen der beiden Mitgliedsverbände. Die Schweiz hat in der FEANI fünf von insgesamt 110 Stimmen. Im dreijährigen Turnus stellen beide Verbände abwechselnd das Präsidium des Schweizer Nationalkomitees FEANI. Wichtige Ansprechpartner im Inland sind neben der SATW das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), Swissuniversities und das Register (REG) für technische Berufe.