10.02.2012 | tec21 | Sonja Lüthi

Deklarationspflicht für Bauten

Wie lässt sich die Sanierung unseres Gebäudeparks beschleunigen? Und ist die Schweizer Wirtschaft für eine solche Beschleunigung überhaupt gerüstet? So die zentralen Fragen der dritten Swissbau Focus Arena zum Thema «Energie im Bau – Herausforderungen im Bestand» am 19. Januar 2012. Dass die Sanierung des Bestandes zentral ist, darüber herrschte Einigkeit. Über die wichtigsten ersten Schritte, die dahin führen, gingen die Meinungen allerdings etwas auseinander.

Wirtschaftlichkeit nicht gegeben
Die Hälfte des Schweizer Energieverbrauchs geht auf den Gebäudepark zurück. Gleichzeitig stammen rund drei Viertel der Bauten von vor 1980. Wenn alle rund 1.5 Millionen überalterten Bauten in der Schweiz saniert würden, könnten jährlich drei bis vier Milliarden Tonnen Erdöl eingespart werden. Angesichts der Notwendigkeit, die CO2-Emissionen zu reduzieren, und des Ausstiegs aus der Atomkraft bis 2035, steht die Sanierung des Gebäudebestands seit den 1970er-Jahren erstmals wieder im Fokus der Betrachtung. Dass die Sanierungsrate dennoch nur bei rund 1.5 % liegt, hat unterschiedliche Gründe.
Einer der Haupthindernisgründe ist offensichtlich, dass die Mehrzahl der Bauten sich in privaten Händen befindet und die Wirtschaftlichkeit einer energetischen Sanierung angesichts der niedrigen Energiepreise oft nicht gegeben ist. Laut Ansgar Gmür, Präsident des Hauseigentümerverbandes Schweiz, gehören rund 72 % der Einfamilienhäuser Privaten, bei den Wohnungen seien es rund 60 %. Etwa die Hälfte aller Eigentümer sei über 60 Jahre alt, und viele würden schlicht nicht über die Finanzen verfügen, ihr Haus zu erneuern, so Gmür. Nicht zuletzt sei auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Sanierung häufig nicht da, erklärte Solararchitekt Reto Miloni. Mit drastischen Folgen: Während ein Neubau rund 20 kW/m2 und Jahr verbraucht, kann der Wert bei einem Altbau bis das Zehnfache betragen, gab SIA-Direktionsmitglied Adrian Altenburger Auskunft. Deshalb plädiert Altenburger für eine umfassende Analyse des Bestandes und darauf aufbauende Information der Eigentümer, nicht nur im Hinblick auf den Handlungsbedarf, sondern auch die Möglichkeiten einer Etappierbarkeit. «Es muss nicht immer eine Fassadensanierung sein», erklärte Altenburger, 20 bis 30 % des Energiebedarfs liessen sich rein durch eine Betriebsoptimierung einsparen.

Fehlender Informationsfluss
Aber wer berät den Hauseigentümer über die nötigen Schritte, und wer zahlt?
Für Markus Weber, Präsident der Fachgesellschaft für Haustechnik und Energie des SIA, steht fest, dass die erste Ansprechperson des Hausbesitzers oft der örtliche Installateur ist. Denn eine Sanierung werde meist ungeplant ausgelöst, zum Beispiel dann, wenn die Ölheizung kaputt sei. Darum rät Weber dazu, für jedes Gebäude in Form einer Art «Gebäudeausweis» eine Strategie für die nächsten dreissig Jahre zu definieren. Für Jobst Willers, Präsident der SIA-Berufsgruppe Technik und Industrie, muss ganz klar der Architekt erste Ansprechperson sein, denn für den Eigentümer sei die neue Küche oder der neue Balkon erste Priorität und nicht die Energieeffizienz. Willers setzt daher auf eine umfassende Weiterbildung, wie sie der SIA beispielsweise mit dem Kurs «Leadership in Gebäudeerneuerung» initiiert hat. Altenburger gab zudem zu bedenken, dass der Planer heute mit der Gebäudeübergabe meist auch sein Know-how mitnimmt, diesen Luxus könne man sich nicht länger leisten.
In Bezug auf die Finanzierung energetischer Sanierungen schliesslich, steht für alle fest, dass mit den Steueroptimierungen oder dem Gebäudeprogramm des Bundes zwar gewisse Anreize geschaffen wurden, diese aber offensichtlich noch nicht genügen. Nicht zuletzt gelte es, unbedingt auch die erheblichen gesetzlichen Restriktionen für den Sanierungsbereich zu beheben, waren sich alle einig, etwa wenn es um den Einbau von Solarpaneelen gehe.

Transformationsrezept
Dass Solarstrom mit dezentraler Speicherung in Bezug auf die anstehende Energiewende ein erhebliches Potenzial hat, auch darin waren sich alle einig. Würde man dieses im Gebäudebereich voll ausschöpfen, könnten 20 % des Strombedarfs und beim Warmwasserbedarf gar 70 % mit Solarkraft gedeckt werden, ist Franz Baumgartner, Dozent für erneuerbare Energien an der ZHAW, überzeugt. Laut Baumgartner sind diese Zahlen allerdings schon seit dreissig Jahren bekannt. Und auch Roland Stulz, Geschäftsleiter Novatlantis, bestätigte, dass genau die gleiche Diskussion schon in den 1970er-Jahren geführt wurde. Wie beschleunigen wir die Transformation unserer Bauten zu kleinen Kraftwerken also nun konkret? Ein einfaches Rezept hat Altenburger parat: Wie bei Automobilen soll auch bei Bauten eine Deklarationspflicht eingeführt werden. So würden die Analyse des Bestandes sowie die Information über Handlungsmassnahmen automatisch folgen, ist Altenburger überzeugt. Wer schliesslich für die Kosten der Transformation aufzukommen hat, blieb allerdings, abgesehen von den üblichen Appellen an die Förderungstätigkeit des Bundes, bis zum Ende der Diskussion diffus. 

Sonja Lüthi, Redaktorin SIA



Swissbau Focus

Anlässlich der diesjährigen Swissbau, vom 17. bis 21. Januar 2012 in Basel, wurde in Ergänzung zum Ausstellungsbereich die neue Veranstaltungsplattform «Swissbau Focus» lanciert. Die mit insgesamt rund 5000 Gästen gut besuchten Vorträge, Workshops und Diskussionen wurden von den beiden Leading-Partnern SIA und EnergieSchweiz sowie weiteren führenden Branchenverbänden in Zusammenarbeit mit der Swissbau konzipiert. Herzstück der Veranstaltungsplattform bildeten vier Arenen nach Vorbild der SF-Arena zu den Themen Bildung, Gebäudelabels, Energie im Bau sowie Raumplanung. (Gesucht: «Praktiker»Verzögerte RaumplanungLichtung im Labeldschungel) Bei einer Sendezeit von rund einer Stunde und einer Teilnehmendenzahl von jeweils 16 führenden Akteuren aus Planung, Bauwirtschaft, Bildung und Politik bot die Arena in erster Linie eine ideale Plattform zur Kundgebung der jeweiligen Positionen zu brisanten und für den SIA entscheidenden Themen. Dabei zeigte sich, dass der Stand der Diskussion je nach Thema sehr unterschiedlich ist. Bis zur Swissbau 2014 sind alle eingeladen, die Diskussionen auf dem Swissbau-Focus-Blog fortzusetzen: www.blog.swissbau.ch Berichte, Interviews und Filme zu Swissbau Focus können auf der Website der Swissbau eingesehen werden: www.eventreport.swissbau.ch