23.11.2012 | tec21 | Sonja Lüthi

Etwas Einfaches, Zeitloses, Pures

Der Künstler, Grafiker und Humanist Roger Pfund gestaltete den Schweizer Pass, Banknotenserien in allen Teilen der Welt – und das SIA-Logo.

 

(sl) Herr Pfund, 1971 haben Sie den Wettbewerb für die Schweizer Banknotenserie gewonnen. Seither reiht sich ein Wettbewerbserfolg an den anderen. Dennoch erwähnten Sie am Telefon, dass der Auftrag für den SIA Ihnen besonders am Herzen lag. Weshalb?

Eine visuelle Identität muss zeitlos sein. Das ist eine grosse Herausforderung. Meine grosse Recherche bei diesem Auftrag war es, die richtige Schrift zu finden: Wie sieht das «S I A» aus – und wie dessen Verbindung mit der übrigen Schrift?

Wie gehen Sie bei einer solchen Recherche vor?

Zuerst gebe ich das Wort, in diesem Fall SIA, in 120 verschiedenen Schriften ein. Dann schaue ich, wo es tönt, wo es visuell tönt. In einem zweiten Schritt wähle ich zehn bis zwanzig Varianten aus und stelle diese auf einem DIN-A4-Blatt zusammen: gross, kleiner und noch kleiner. Danach kommt die Adaption: Wie sieht das Ganze auf einem Briefpapier aus und auf einer Visitenkarte? Mit zehn Varianten gehe ich schliesslich zum Auftraggeber und schaue, in welche Richtung das Ganze sich entwickeln könnte.

Welche Identität wollten Sie mit dem Logo zum Ausdruck bringen?

Etwas ganz Einfaches, Zeitloses, Pures. Etwas, das organisiert ist – durch die Auswahl des Buchstabencharakters, durch die Spationierung zwischen den Buchstaben. Eine besondere Herausforderung war zum Beispiel, dass das «i» nicht untergeht. Wenn man ein «s» hat (beginnt zu zeichnen), ist das eine Form – salopp gesagt, wie eine schöne Frau. Auch das «a» ist eine wunderbare Form, aber das «i» ist nur so ein Stöckchen. Mein Ziel war es, eine Äquivalenz zwischen den drei Buchstaben herzustellen. Ich musste also dem «i» für die Ingenieure mehr Präsenz geben. Auch fällt auf, dass die Buchstaben ziemlich weit auseinander stehen. Die Idee dahinter ist, dass es «s», «i» und «a» heisst – und nicht «sia». Und das Rot steht natürlich für die Schweiz.

Was macht ein gutes Corporate Design aus?

Es muss sagen, wofür es steht. Es muss schön sein, und man muss es gebrauchen können, diversifizieren können, also auf xbeliebigen Unterlagen verwerten und verwenden können.

Bekannt wurden Sie mit Ihren Arbeiten für die Schweizer Nationalbank. Gleichzeitig engagieren Sie sich stark im humanitären Bereich. Ein scheinbarer Widerspruch, der Ihnen des Öfteren vorgeworfen wurde.

Ja, dafür bin ich immer wieder angepfiffen worden. Aber da muss ich nicht lange nach Argumenten suchen: Humanitär ist gut, aber humanitär ohne Geld funktioniert nicht. Folglich: Es braucht beides. Wenn das Geld schön ist, umso besser.

Insbesondere Ihre Entwürfe für die Euro-Banknoten-Serie von 1996 erwecken den Eindruck eines Kunstwerks. Sind Banknoten Ihrer Ansicht nach auch Kunst?

Man darf nicht vergessen, dass jede Banknote nummeriert, signiert und datiert ist. Das sind Einzelstücke und Sammelstücke. Folglich, ja, auch Kunstwerke. Und diese Kunstwerke kommunizieren mit uns.

Könnten Sie das erläutern?

Nehmen Sie zum Beispiel die Schweizer Hunderternote von Jörg Zintzmeyer. Da sehen Sie links von Giacomettis Kopf die Buchstaben A bis H. Bei jedem Buchstaben erscheint die Zahl 100. Beim A, wenn Sie die Note im Licht bewegen, beim B als Wasserzeichen, beim D als Mikroperforation, beim F unter UV-Licht etc. Wo ist jetzt die Kommunikation? Dass man den Leuten sagt: Eure Note ist sicher, schaut sie euch genau an. Denn wenn ihr diese Merkmale nicht findet, stimmt etwas nicht.

Im Lauf Ihrer reichhaltigen Tätigkeit haben Sie die Entwicklung der Unternehmenskommunikation aus nächster Nähe miterlebt. Wo sehen Sie den Nutzen von Kommunikation?

Meiner Ansicht nach gibt es heute keine Institution, die ohne Kommunikation überleben kann. Damit das Geld hereinkommt, muss man kommunizieren, muss den Leuten sagen, was gemacht wird. Kommunikation ist zentral – nicht nur in meinem Werk, generell.


Zur Person

Der französisch-schweizerische Künstler und Grafiker Roger Pfund wurde 1943 in Bern geboren, wo er das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium besuchte und eine Grafikerlehre absolvierte. Gerade einmal 28-jährig, gewann Pfund 1971 den Wettbewerb für die neue Schweizer Banknotenserie. Für die damalige Zeit äusserst visionär, verfasste er zusätzlich zu seinen Entwürfen auch gleich ein dazugehöriges Informatikprogramm, das die höhere Komplexitätsstufe der Grafik überhaupt erst zuliess. Aufgrund seines jugendlichen Alters erhielt Pfund schliesslich den Auftrag, die Reserveserie zu realisieren. Es folgten weltweit Beratungsmandate (u. a. für die aktuelle Schweizer Banknotenserie) und Aufträge für die Gestaltung von Banknoten (u. a. für die letzte Serie des Französischen Franc). Für seinen äusserst kunstvollen Entwurf für die Euro-Banknotenserie erhielt Pfund 1996 ebenfalls den ersten Preis, konnte ihn aber aus unbekannten Gründen leider nicht ausführen. Der Leserschaft sicherlich vertraut dürfte sein Entwurf für den aktuellen Schweizer Pass sein – und eben das SIA-Logo.

Neben seiner Tätigkeit als Grafiker arbeitet Roger Pfund als Künstler und engagiert sich für humanitäre Organisationen. Weitere Informationen zum Atelier Roger Pfund unter: www.rogerpfund.ch

 


Ausstellung in Genf

Eine Werkschau zum Schaffen von Roger Pfund wird vom 21. März bis zum 18. August 2013 im Musée d’art et d’histoire in Genf zu sehen sein.

 


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Roger Pfund in seinem Atelier in Carouge. (Foto: Sonja Lüthi, SIA)