28.02.2014 | tec21 | Katinka Corts-Münzner

Architekt ohne Hybris

Eine anregende baukulturelle Facette erhielt der diesjährige Swissbau-Fokus mit dem Film «De Drager» – ein Porträt des niederländischen Architekten John Habraken.

Im Film dokumentieren die Journalistin Sonja Lüthi und der Filmemacher Marc Schwarz Leben und Werk des 1928 im niederländischindischen Bandung geborenen Nikolaas John Habraken, der zwar nur wenig gebaut hat, dafür aber als Theoretiker in den 1960er und 1970er Jahren eine um so grössere Ausstrahlung hatte. Seine niederländischen Wurzeln führten ihn 1948 an die Technische Universität in Delft, wo er Architektur studierte.

Im Jahr 1961 veröffentlichte Habraken das Buch «Die Träger und die Menschen – das Ende des Massenwohnungsbaus». Als «Träger» bezeichnete er die äussere Hülle der Gebäude. In seinen Schriften plädiert der Architekt für ein stärkeres Augenmerk auf das Wohlbefinden der Menschen in der sie umgebenden Architektur – in der Phase des Massenwohnungsbaus, als die Parole galt, in kurzer Zeit viel verdichteten Wohnraum zu schaffen, keine alltägliche Haltung.

Ab 1967 baute Habraken die Eindhovener Architekturschule auf, wo er auch seine erste Professur inne hatte. In seinem Essay «You can’t design the ordinary» verglich er 1971 den Architektenstand mit König Midas: Alles, was der Architekt berühre, würde zwangsläufig zu Gold, jedoch fehle es an «Brot» in der gebauten Umwelt, an etwas, woran der Menschen satt würde.

Unter Architekten herrsche die Auffassung vor, sie allein hätten die Gestaltungshoheit und die Vision, wie das gebaute Umfeld des Menschen auszusehen habe. Habraken fand dagegen, der Architekt sei zwar für den «Träger», also den konstruktiven Rahmen der Gebäude zuständig, nicht aber für dessen Füllung – der Ausbau der Wohnräume unterliege der Gestaltungsfreiheit der Bewohner. In den Niederlanden fanden seine strukturalistischen Theorien damals viel Beachtung, sowohl positiver als auch negativer Natur. Lüthi und Schwarz lassen viele Weggefährten Habrakens zu Wort kommen und verorten die Bedeutung seines Lebenswerks.

Lüthi und Schwarz lassen viele Weggefährten Habrakens zu Wort kommen und verorten die Bedeutung seines Lebenswerks. Von Beginn an hätten sich laut Lüthi viele Architekten an Habrakens Haltung und den Bauten, die er als für seine Theorie aussagekräftig herbeizieht, gestört. Rein ästhetisch würden diese oft nicht viel hergeben oder sogar provozieren. Als Beispiel nennt Lüthi das 2012 von Sjoerd Soeters fertiggestellte Rathaus Zaandam: Von aussen als postmodernes Pastiche verkleidet, eröffne die hochintelligente Gebäudestruktur im Innern ungeahnte räumliche Qualitäten und Nutzungsmöglichkeiten.

«Im Inneren sind seine Bauten jedoch genial, die Innenräume sind sehr angenehm im Vergleich zum lauten Äusseren», erklärt Lüthi. Bei der Filmvorführung am Swissbau Fokus schlug SIA Präsident Stefan Cadosch den Bogen zum «Umsicht» Preis, mit dem der SIA Beispiele einer alltagsgerechten Gestaltung unseres Lebensraums honoriert. «Es geht darum, dass neben den Teilaspekten der architektonischen Gestaltung stets der Blick auf das Ganze und auf alle Beteiligten wichtig ist», so Cadosch.

Swissbau

Filmstill: Habraken im Gespräch