Der Tonhallenentscheid

Die Stadt Zürich führte zur Beschaffung von Generalplanerleistungen für die Renovation der Tonhalle ein selektives Verfahren durch. Das teuerste Angebot erhielt den Zuschlag, wogegen die Anbieterin des günstigsten Angebots Beschwerde einreichte. Was sind mögliche Konsequenzen und Empfehlungen nach dem Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts?

Für die Teilinstandsetzung von Kongresshaus und Tonhalle führte die Stadt Zürich als Auftraggeberin und Bauherrin ein selektives Verfahren zur Beschaffung von Generalplanerleistungen durch. Den Zuschlag erhielt das preislich höchste Angebot. Dagegen erhob der Generalplaner mit dem preislich tiefsten Angebot am 23. Mai 2011 Submissionsbeschwerde (Entscheid des Verwaltungsgerichtes des Kantons Zürich vom 28. September 2011, VB.2011.00322, S. 2 f.). Das Verwaltungsgericht Zürich wies die Beschwerde ab.

In seinem Entscheid setzte sich das Gericht unter anderem mit der Gewichtung des Zuschlagskriteriums «Preis» und der zulässigen Preisspanne auseinander. Zudem beurteilte es das Zuschlagskriterium «Zugang zur Aufgabe » und dessen Zulässigkeit. Nachstehend wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich in diesen Punkten besprochen, und es werden mögliche Konsequenzen und Empfehlungen für Planer aufgezeigt.

Das Kriterium «Preis»
Grundsätzlich gilt, dass dem Kriterium «Preis» gegenüber weiteren Zuschlagskriterien weniger Gewicht eingeräumt werden soll, je komplexer und anspruchsvoller die ausgeschriebene Leistung ist. Gemäss einem Entscheid des Bundesgerichts (BGE 129 I 313) darf der Preis allerdings nie mit weniger als 20 % gewichtet werden. Das Verwaltungsgericht Zürich stützte sich im Entscheid auf die zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung und prüfte, ob der streitige Vergabegegenstand als komplex zu qualifizieren sei. Welche Bandbreite bei den Angebotspreisen realistischerweise erwartet werden kann, ist gemäss Verwaltungsgericht Zürich ebenfalls vom Gegenstand der Beschaffung abhängig. So ist bei einfachen Bauarbeiten in der Regel mit einer geringeren Preisspanne zu rechnen als bei technisch anspruchsvollen Konstruktionen oder Dienstleistungen.

Das Verwaltungsgericht kam im vorliegenden Fall zum Schluss, dass aufgrund der Komplexität des Vergabegegenstandes eine Preisgewichtung von 20 % und eine Preisspanne von 80 % zulässig seien. Planer beteiligen sich nicht nur an Ausschreibungen für Planerleistungen, sondern erstellen auch selbst Ausschreibungsunterlagen für Unternehmerleistungen und müssen die eingehenden Angebote bewerten. Deshalb ist es wichtig, dass sie Kenntnis davon haben, wie Zuschlagskriterien festzusetzen, zu gewichten und zu bewerten sind. Aus dem Verwaltungsgerichtsentscheid ergeben sich für die kantonale Vergabepraxis beim Zuschlagskriterium «Preis» folgende Regeln:

  • Eine Gewichtung des Zuschlagskriteriums «Preis» von 20 % bildet bei einem komplexen Vergabegegenstand die unterste Grenze. Die Komplexität muss nachvollziehbar sein und begründet werden können.
  • Bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen ist auch die Preisspanne für die Bewertung der Angebotspreise festzulegen, wobei diese nicht zwingend vorgängig bekannt gegeben werden muss. Als «Faustregel» kann dafür dienen: bei einem einfachen Vergabegegenstand eine Preisspanne von 30 bis 50 % und bei einem komplexen Vergabegegenstand eine Preisspanne von 75 bis 80 %.
    Nimmt der Planer dagegen als Anbieter an einem Beschaffungsverfahren teil, hat er die Ausschreibungsunterlagen zu prüfen. Stellt er dabei Unklarheiten in den Ausschreibungsunterlagen fest, zum Beispiel in Bezug auf die Preisgewichtung oder die Preisspanne, sollte er noch während der laufenden Eingabefrist die Vergabestelle kontaktieren und die Unklarheiten festhalten sowie das Angebot je nach Ausgangslage mit einem separaten Begleitschreiben einreichen.

Das Kriterium «Zugang zur Aufgabe» und dessen Risiken
Im besprochenen Entscheid hatten die Anbieter beim Zuschlagskriterium «Zugang zur Aufgabe» einen Vorschlag zur Umgestaltung der Eingangsbereiche von Kongresshaus und Tonhalle einzureichen. Die Bewertung erfolgte anhand der Unterkriterien «Architektonische Qualität / Umgang mit hochwertiger denkmalgeschützter Bausubstanz», «Funktionalität» und «Nachhaltigkeit / Wirtschaftlichkeit». Die Anbieter hatten dafür Lösungsvorschläge in Form von Projektskizzen einzureichen. Das Verwaltungsgericht bejahte die Zulässigkeit des Kriteriums «Zugang zur Aufgabe». Dem vorliegenden Entscheid kann unseres Erachtens dennoch keine allgemeingültige Regel für die Zulässigkeit dieses Kriteriums entnommen werden.

Zuschlagskriterien sind angebotsbezogen. Neben dem Preis und anderen wirtschaftlichen Kriterien können insbesondere auch qualitative Kriterien gewählt werden. Das Transparenzgebot verlangt aber, dass die Auftraggeberin, wenn sie offene oder unbestimmte Kriterien verwendet, diese zu umschreiben hat. Nach Zürcher Praxis müssen Zuschlagskriterien inhaltlich klar definiert sein. Beim Zuschlagskriterium «Zugang zur Aufgabe» besteht damit weiterhin die Gefahr, dass es von einem Gericht als vage und unpräzise eingestuft werden könnte. Planer sollten als Anbieter von Planerleistungen bei der Ausschreibung deshalb auch in Zukunft darauf achten, ob das Kriterium «Zugang zur Aufgabe» verständlich und nachvollziehbar definiert sowie sachgerecht und präzise formuliert ist.

Hat der Planer bereits mit dem Angebot einen eigentlichen Projektbeitrag einzureichen, sollte er von vornherein abklären, ob die öffentliche Auftraggeberin die Planerleistungen konventionell als Dienstleistung ausschreibt oder ein Wettbewerbs- beziehungsweise Studienauftragsverfahren durchführt. Vermischt die Vergabestelle die beiden Verfahren, sind die Angebote oft nicht vergleichbar. Führt die Vergabestelle eine gewöhnliche Honorarsubmission durch, ist es grundsätzlich nicht an den Anbietern, Projektvorschläge einzureichen. Vielmehr muss die Vergabestelle vorgängig die Grundlagen dafür schaffen, dass vergleichbare Honorarangebote überhaupt eingereicht werden können.

- Claudia Schneider Heusi, lic. iur., L.L.M, Fachanwältin SAV für Bau- und Immobilienrecht, csh(at)schneider-recht.ch
- Laura Mazzariello, MLaw, lm(at)schneider-recht.ch

beide Rechtsanwältinnen bei Schneider Rechtsanwälte AG in Zürich