10.02.2012 | tec21 | Sonja Lüthi

Verzögerte Raumplanung

«Bauen im Kontext – Wachstum nach innen », so der Titel der vierten und abschliessenden Swissbau Focus Arena vom 20. Januar 2012. Nach einer Diskussion, die nur zögerlich anlief, zeigte sich, dass die Gesellschaft sich in einem schnelleren Wandel befindet als angenommen und sowohl die Raumplanung wie auch die Politik auf diese Realität nicht vorbereitet waren.

Politischer Mut fehlt
Dass die sogenannte Zersiedlung fortschreitet, ist unumstritten und entsprechend wird zunehmend der Ruf nach Verdichtung laut. Aber wie viel Verdichtung wollen und ertragen wir, und wie lässt sich diese – wenn überhaupt – umsetzen? Da gingen die Meinungen der anwesenden Vertreter und Vertreterinnen von Interessengemeinschaften, Bauwirtschaft und Planungsbranche auseinander.
«Gegen Verdichtung hat niemand etwas einzuwenden, solange sie einen nicht selbst betrifft», stellte Hans Killer, Präsident von Bauenschweiz und Nationalrat SVP, gleich zu Beginn fest. Dass diese Pauschalisierung zu kurz greift, wusste Marianne Dutli Derron, Leiterin Förderstelle Gemeinnütziger Wohnungsbau, allerdings aus eigener Erfahrung zu belegen: «Viele ältere Einfamilienhausbesitzer würden gerne in eine kleinere Wohnung ziehen», so Dutli Derron, doch fehle oftmals das Angebot, oder aber es sei im Vergleich zum Eigenheim zu teuer. Balz Halter, Präsident des Verwaltungsrates der Halter Unternehmungen, bestätigte zwar, dass die Nachfrage nach Wohnfläche an dichten Standorten durchaus vorhanden sei – «die Leute schätzen die Qualität eines gut erschlossenen Standortes» –, doch ginge diese meist auch mit dem Bedürfnis nach mehr eigener Fläche einher, die man sich hierzulande auch einiges kosten liesse. Auch Halter stellte fest, dass mehr Verdichtung auf dem Markt durchaus Absatz finden würde, die Angebote aber mangels entsprechender Regulative nicht geschaffen werden könnten: «Es fehlt der politische Mut», so Halter.

Entwicklung schneller als Raumplanung 
Hat die Raumplanung also verschlafen? Auf die unausweichliche Frage erwiderte Wilhelm Natrup, Leiter Amt für Raumentwicklung Kanton Zürich, dass die Gesellschaft viel differenzierter sei, als oftmals dargestellt werde, und Patentrezepte daher zu kurz greifen würden: «Es gibt nicht mehr nur die Leute, welche ein Eigenheim wollen», so Natrup, man wechsle die Wohnung, die Lebenssituation, den Standort … aber, so räumte Natrup abschliessend doch noch ein: Auf diese gesellschaftliche Entwicklung sei man auf allen Ebenen – von den Gemeinden bis hin zum Bund – tatsächlich nicht vorbereitet gewesen. «Es gibt ein Know-how-Defizit auf Stufe der Gemeinden und der Behörden», bestätigte auch André Duss, Raumplaner im Kanton Luzern, denn bis anhin hätten die Gemeinden vor allem Aussenentwicklung betrieben.
Umso mehr Bedeutung kommt daher Leuchtturmprojekten zu, wie etwa demjenigen der kurz vor der Diskussion mit dem diesjährigen Wakkerpreis ausgezeichneten Gemeinde Köniz. Im Interesse und zum Wohle der Gemeinschaft habe die Gemeinde ihre eigene innovative Planung umgesetzt, lobte Adrian Schmid, Geschäftsleiter des Schweizer Heimatschutzes, und verriet die Strategie: 1. Reduktion von Bauzonen (in diesem Fall um 337 ha), 2. klare Trennung von Kultur- und Bauland sowie 3. Mehrwertabschöpfung.

Kontroverse auf Gesetzesebene
Bis solche Regulative für eine Siedlungsentwicklung nach innen Verbindlichkeit erlangen, ist es allerdings noch ein weiter Weg, so zeigte die abschliessende Diskussion um die Instrumente auf Gesetzesebene. Während zum Beispiel die Direktorin des Bundesamtes für Raumentwicklung Maria Lezzi klar für mehr Sanktionen eintrat – «Spielregeln alleine genügen nicht mehr» – waren sowohl Halter wie auch Killer davon überzeugt, dass ein Umerziehen der Gesellschaft über die Raumplanung zum Scheitern verurteilt sei. Und während Killer die Mehrwertabschöpfung als «verdeckte Steuer» kritisierte und den Kantonen lediglich Möglichkeiten bieten will, nicht aber Verpflichtungen, ist Hans-Georg Bächtold, Raumplaner und Generalsekretär des SIA, davon überzeugt, dass die Mehrwertabschöpfung ein gutes Instrument ist, um Raumplanung umzusetzen, und appellierte zudem für eine Stärkung der kantonalen Richtpläne. «Diese Instrumente gibt es seit dreissig Jahren. Nun gilt es, sie umzusetzen», so Bächtold.
Doch auch wenn sich die Interessenvertreter von Planern und Bauwirtschaft in den wesentlichen Punkten nicht einig werden konnten, einig sind sie sich darin, dass die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) gegenüber der Landschaftsinitiative vorzuziehen sei. «Der Vorteil der Landschaftsinitiative ist, dass sie begrenzt», erläuterte Thomas Noack, Verantwortlicher für Raumplanung beim SIA, doch erkläre sie nicht wie. Hier sei man bei der Revision RPG schon einen Schritt weiter. Zu hoffen bleibt nun, dass die weiteren Schritte bald folgen werden. Denn eines hat die Diskussion klar gezeigt: Für eine Beschleunigung ist es auf allen Ebenen der Raumplanung höchste Zeit.

Sonja Lüthi, Redaktorin SIA



Swissbau Focus

Anlässlich der diesjährigen Swissbau, vom 17. bis 21. Januar 2012 in Basel, wurde in Ergänzung zum Ausstellungsbereich die neue Veranstaltungsplattform «Swissbau Focus» lanciert. Die mit insgesamt rund 5000 Gästen gut besuchten Vorträge, Workshops und Diskussionen wurden von den beiden Leading-Partnern SIA und EnergieSchweiz sowie weiteren führenden Branchenverbänden in Zusammenarbeit mit der Swissbau konzipiert. Herzstück der Veranstaltungsplattform bildeten vier Arenen nach Vorbild der SF-Arena zu den Themen Bildung, Gebäudelabels, Energie im Bau sowie Raumplanung. (Gesucht: «Praktiker», Lichtung im LabeldschungelDeklarationspflicht für Bauten) Bei einer Sendezeit von rund einer Stunde und einer Teilnehmendenzahl von jeweils 16 führenden Akteuren aus Planung, Bauwirtschaft, Bildung und Politik bot die Arena in erster Linie eine ideale Plattform zur Kundgebung der jeweiligen Positionen zu brisanten und für den SIA entscheidenden Themen. Dabei zeigte sich, dass der Stand der Diskussion je nach Thema sehr unterschiedlich ist. Bis zur Swissbau 2014 sind alle eingeladen, die Diskussionen auf dem Swissbau-Focus-Blog fortzusetzen: www.blog.swissbau.ch Berichte, Interviews und Filme zu Swissbau Focus können auf der Website der Swissbau eingesehen werden: www.eventreport.swissbau.ch