12.03.2013 | swissbau focus blog | Thomas Noack
Ein Ja für verantwortungsvolle BaukulturDer Souverän schaut hin und was er gegenwärtig sieht, macht ihm keine Freude mehr. Das hat das Wochenende vom 3. März klar gezeigt, nicht nur was das Abstimmungsergebnis zum Raumplanungsgesetz anbelangt. Doch vor allem und das stimmt sehr positiv, macht das überwältigende Ja zum revidierten Raumplanungsgesetz deutlich, dass die Schweizer Bevölkerung die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für einen Lebensraum von hoher Qualität vor kurzfristige, wirtschaftliche Partikularinteressen stellt. Und nicht zuletzt ist ein «Ja» in dieser Form auch ein grundsätzliches «Ja» für mehr Nachhaltigkeit. Denn mit der richtigen Raumplanung – und dafür sind nun die gesetzlichen Weichen gestellt – kann ein entscheidender Beitrag dazu geleistet werden, das Bauwerk Schweiz nachhaltiger zu gestalten. Auf jeden Fall haben Herr und Frau Schweizer den Erbauern ihres Landes, und damit insbesondere den Architekten und Ingenieuren den Auftrag erteilt, der unkontrolliert weitergehenden «Verhüselung» Einhalt zu gebieten und von nun an vor allem an den bereits bestehenden Dörfern und Städten der Schweiz weiterzubauen. Dies mit noch mehr Sorgfalt und Umsicht, vor allem auch für die bestehenden attraktiven und intakten Landschaften. Anzustreben sind eine hohe Wohn- und Lebensqualität in den Städten und Siedlungen – wofür es auch attraktive öffentliche Freiräume braucht. Behörden und Planungsfachleute sind hier gleichermassen gefordert und müssen zusammenarbeiten. Zu den ersten wichtigen Aufgaben und Herausforderungen, das haben die wertvollen Diskussionen während des Abstimmungskampfs deutlich gemacht, gehören nun: 1. Das sorgfältige Ermitteln und respektvolle Aushandeln der «richtigen Grösse» der Bauzonen. Bund, Kantone und Gemeinden sind gefordert, hierfür klare und praxistaugliche Richtlinien auszuarbeiten. 2. Die vom Gesetz und dem Souverän geforderte «Siedlungsentwicklung nach innen» ist eine äusserst anspruchsvolle Aufgabe. Nur in partnerschaftlicher und interdisziplinärerer Zusammenarbeit aller Akteure und Interessensgruppen sowie in respektvoller Abwägung ihrer unterschiedlichen Anliegen wird es gelingen, die bauliche Dichte zu erhöhen und dabei gleichzeitig wohnlichen Qualitäten zu schaffen. 3. Parallel muss es auch gelingen, die nach wie vor weit verbreitete und unreflektierte Skepsis gegenüber dem Leben in der Stadt etwas zu verringern. Überhaupt – daran ändert auch das Ja zum Raumplanungsgesetz nichts und dies haben auch die Diskussionen im Lager der Gegner sowie der Befürworter erneut gezeigt – wird das Bauen noch immer häufig als Zerstörung der Landschaft angesehen. Dies mit entsprechenden Folgen für Architektur und Ingenieurbaukunst, insbesondere für deren Stellenwert in der Gesellschaft. Dem gilt es weiterhin entgegenzuwirken. 4. Und schliesslich muss auch trotz der Zustimmung des Volkes, die Raumplanung noch etwas an ihren Denkstrukturen rütteln. Denn wenn wir der unsäglichen Zersiedelung unseres Landes tatsächlich etwas Ernsthaftes entgegensetzen wollen, sollten wir bei der Raumplanung unseres Landes auch endlich damit beginnen in Raumeinheiten zu denken. Damit ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, das Bauwerk Schweiz auch in die Höhe weiter zu denken. Es gilt kluge Lösungen zu entwerfen, weg vom allgegenwärtigen Nebeneinander hin zum vermehrten Übereinander. Wenn wir es dann auch noch fertig bringen, den Quadratmeter Vorgarten mit der Höhenlage des Geschosses als gesellschaftliches Statussymbol abzulösen, würde das Leben in luftiger Höhe vielleicht plötzlich ganz erstrebenswert und die Zersiedelung auf einmal zu einer ganz von alleine laufenden Verdichtung. Der Umgang mit dem Boden würde auf jeden Fall haushälterischer und die Aussicht wäre erst noch besser. Mit anderen Worten: Damit nun auch gute Planungen entstehen und umgesetzt werden können, braucht es nicht nur das neue Raumplanungsgesetz sowie gut ausgebildete und kompetente Raumplaner, Architektinnen und Ingenieure für dessen Umsetzung, sondern auch weiterhin eine sorgfältige Information und kluge Beratung und Unterstützung der Bevölkerung, der Bauherrschaften und Gemeinden. Die Aufgabe aller an der Entwicklung des Bauwerks Schweiz beteiligten Fachleute ist es, diese zu gewährleisten. Der SIA und seine Fachleute wollen, können und werden auch einen entscheidenden Beitrag leisten.
Thomas Noack, SIA, Themenbereich Raumplanung |