09.11.2012 | tec21 | Jean-Pierre Wymann

Wettbewerb Light

Das Dilemma ist bekannt: Von den Teilnehmenden an Architekturwettbewerben wird immer mehr verlangt, gleichzeitig wünschen sich viele Auslober schlanke Verfahren. Sind die einfachen Wettbewerbe, wie man sie von früher her kennt, mit Plänen und Modell 1:500 und ohne Zusatzleistungen, passé?

Ursache der stetig steigenden Anforderungen bei Wettbewerben sind unter anderem die zunehmende Komplexität von Gesetzen und Vorschriften sowie die Anforderungen an eine nachhaltige und energieeffiziente Bauweise. Gewisse Auftraggeber verlangen Zusatzleistungen, weil sie sich davon Kostensicherheit versprechen. Erfahrene Jurorinnen und Juroren können die Kosten allerdings gut anhand der Flächenberechnungen sowie der Kubatur abschätzen und benötigen dafür keine Detailschnitte.
Entscheidend für den Aufwand bei der Durchführung eines Wettbewerbs ist der Umfang der Arbeiten, die von den Teilnehmenden verlangt werden. Je höher die Anforderungen sind, desto höher wird auch der Aufwand für die Vorprüfung und die Jurierung. Die Ordnungen des SIA für Wettbewerbe und Studienaufträge fördern schlanke Verfahren, indem sie die Anforderungen beschränken. Von den Teilnehmenden soll nur verlangt werden, was zum Verständnis der Beiträge notwendig ist, fachlich kompetent beurteilt werden kann und für den Entscheid relevant ist.

Richtig teuer

Viele Zusatzleistungen führen jedoch nicht nur zu einer höheren Gesamtpreissumme, sondern sind oft für die Beurteilung gar nicht relevant. Wer auf folgende Zusatzleistungen verzichtet, schafft gute Voraussetzungen für einen «Wettbewerb light»: selektive und mehrstufige Verfahren, vertiefte Bearbeitung zur Möblierung oder zur Konstruktionsund Materialwahl, Visualisierungen, Teambildung, detaillierte Berechnungen und Etappierungen.

  • Selektive und mehrstufige Verfahren: Selektive Verfahren sind aufwendiger als offene Verfahren, weil bei ihnen zusätzlich die Eignung der Bewerberinnen und Bewerber geprüft wird. Da die Präselektion allen offen steht, können sehr viele Bewerbungen eingehen. Sie stellt hohe Anforderungen an die Jury, denn gegen den Selektionsentscheid kann Beschwerde eingereicht werden. Und eine Präselektion braucht Zeit. In vielen Fällen genügen einstufige Verfahren, um die beste Lösung zu ermitteln. Zweistufige Verfahren sind nur bei Aufgaben angezeigt, die bereits von ihrer Natur her komplex sind. Sie dienen dazu, die Anzahl der Beiträge zu reduzieren, damit diese in der zweiten Stufe vertieft beurteilt werden können.
  • Bearbeitungstiefe: Einzelne Grundrisse im Massstab 1:100 zur Darstellung der Möblierung sind oft nicht notwendig. Die Jury kann die Möblierbarkeit auch ohne diese Unterlagen beurteilen. Schlicht unverhältnismässig auf der Stufe des Wettbewerbs ist eine Bearbeitung des ganzen Projekts im Massstab 1:100. Fassadenschnitte und -ansichten im Massstab 1:20 werden oft verlangt, sind aber häufig stereotyp und in ihrer Aussagekraft beschränkt.
  • Visualisierungen: Bilder sprechen vor allem die Laien in der Jury an und lenken oft vom Wesentlichen ab. Zudem sind fachfremde Personen nur schwer von den Qualitäten eines Beitrags zu überzeugen, wenn sie die abgelieferte Visualisierung nicht überzeugt. Entscheidend bei der Beurteilung der meisten Bauaufgaben sind die Qualitäten der Aussenräume zusammen mit der inneren Raumdisposition.
  • Teambildung: Eine Teambildung erfolgt nur dann, wenn weitere Fachgebiete zur Lösung der Aufgabe erforderlich sind, und nicht, um die Vergabeverfahren zu vereinfachen. Sie bedingt eine längere Bearbeitungszeit und eine aufwendigere Vorprüfung mit mehr Experten. Ausserdem muss die Jury um Fachleute aus den massgebenden Fachgebieten erweitert werden.
  • Berechnungen: Angaben, die über die Ordnung SIA 416 Flächen und Volumen von Gebäuden hinausgehen, sind häufig nicht zielführend. Kostenschätzungen von Teilnehmern sind untereinander nicht vergleichbar und machen deshalb wenig Sinn. Für Energienachweise und andere detaillierte Berechnungen fehlt der notwendige Detaillierungsgrad der Pläne. Basierend auf vielen Unsicherheiten ist die Aussagekraft solcher Unterlagen beschränkt.

Richtig sparen

Wo Auslober ansetzen, um den Aufwand für Wettbewerbe zu reduzieren, zeigen folgende Beispiele:
Die Stadt Zürich will schlanke Verfahren durchführen und hat im März 2012 für den Ersatzneubau von zwei Mehrfamilienhäusern in Zürich Seebach einen Kleinprojektwettbewerb nach den Grundsätzen der Ordnung SIA 142 lanciert. Befremdlich ist allerdings, dass von den Teilnehmern trotzdem viel verlangt wurde. Sie mussten einen Situationsplan 1:200 sowie Grundrisse, Schnitte und Fassaden 1:100 abgeben. Dazu kam der Fassadenschnitt mit Ansicht 1:20. Gespart wurde im Gegenzug bei der Vorprüfung und dem Jurybericht.
Besser machte es der Auslober des 2003 entschiedenen Wettbewerbs für die Berufsfachschule in Freiburg. Er sparte von Anfang an, indem er die im einstufigen offenen Projektwettbewerb verlangten Arbeiten auf das Notwendige beschränkte. Gefordert waren lediglich Pläne und Modell in Massstab 1:500. Der Wettbewerb wurde strikt nach Ordnung SIA 142 durchgeführt, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Projekt von Graber Pulver Architekten erhielt an den diesjährigen «best architects» Awards die Auszeichnung in Gold.
Und auch bei der Jury kann der Auslober sparen. Diese ist ordnungsgemäss zusammengesetzt, wenn die Mehrheit der Jurymitglieder Fachleute sind und mindestens die Hälfte von ihnen unabhängig vom Auftraggeber ist. Daraus folgt, dass die kleinste Jury aus drei Mitgliedern und einem Ersatzmitglied besteht. Zwei der drei Mitglieder müssen Fachpersonen sein, von denen wiederum eine unabhängig vom Auftraggeber sein muss.
Der haushälterische Umgang mit öffentlichen Mitteln, ein Grundprinzip im öffentlichen Beschaffungsrecht, beginnt mit der Wahl eines einfachen und zweckmässigen Verfahrens. Werden zu Beginn die verlangten Arbeiten auf das Notwendige beschränkt, können auch die Vorprüfung und Jurierung mit vernünftigem Aufwand durchgeführt werden.

Jean-Pierre Wymann, Architekt ETH SIA BSA, Leiter Wettbewerbe und Studienaufträge SIA