13.07.2012 | tec21 | Stefan Brücker

Klausur der SIA-Energiekommission

«Suffizienz», «Dreieck Kantone-Bund-SIA» und «GIS-Energie», so lauteten die Themen der Klausur der SIAEnergiekommission am 1. Juni 2012 in Neuenburg. Die Inputreferate und anschliessenden Diskussionen haben gezeigt: Der Austausch zwischen den relevanten Players findet statt, und vieles ist in Bewegung.

In seinem Gastreferat präsentierte Heinrich Gugerli, Leiter Fachstelle Nachhaltiges Bauen beim Hochbauamt der Stadt Zürich, die Studie «Grundlagen für einen Suffizienzpfad Energie»1, welche Ende August 2012 publiziert wird1 und sich am SIA-Effizienzpfad Energie orientiert. Untersucht wurde zum Beispiel das Potenzial eines suffizienten Umgangs mit Wohnfläche durch Reduktion der heutigen 60 m2 auf 40 m2 Wohnfläche pro Person, wodurch die entsprechenden Anforderungen des SIA-Effizienzpfads Energie um 15 % unterschritten werden könnten. Gegenüber dem heutigen Durchschnitt würde ein solches Nutzerverhalten den Bedarf an nicht erneuerbarer Primärenergie um 50 % reduzieren. Als aktuelles Beispiel für Suffizienz nannte Gugerli die Überbauung Kalkbreite in Zürich, mit deren Bau im Januar begonnen wurde und wo Gemeinschaftsräume die Reduktion der Individualflächen ermöglichen sollen.
Die Thematik besitzt ganz offensichtlich eine starke gesellschaftliche und politische Komponente, deren Reichweite über viele der bisherigen Fragestellungen des SIA hinausgeht. Die Energiekommission will daher in TEC21 eine Diskussion lancieren, bei der auch die philosophische, historische und soziologische Sicht vertreten sein soll.

Normen und Vorschriften
Marc Schaffner, Vertreter der Energiefachstellenkonferenz (EnFK), erläuterte das Spannungsfeld der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKen) zwischen energetischen Verschärfungen und politischer Akzeptanz. Die verschiedenen Anforderungen der EnFK an die Normen des SIA wurden von der EK-Arbeitsgruppe «Normen und Vorschriften» anschliessend intensiv diskutiert. Darunter befinden sich die Mitsprache bei den Normen, die Vollzugstauglichkeit, die Überprüfbarkeit auf der Baustelle und die Verständlichkeit auch für Nichtfachleute. Was den ersten Punkt betrifft, wurde angemerkt, dass die Kantone bereits seit langem in der Normenarbeit des SIA durch Vertreter in den Kommissionen paritätisch Einsitz nehmen können und genau hier Einfluss nehmen müssten. Eine Top-down-Vertretung innerhalb des SIA ist somit gegeben. Wünschenswert wäre nach Meinung der Arbeitsgruppe allerdings eine Bottom-up-Vertretung des SIA in der EnFK. Damit könnte eine Koordination der MuKen mit den SIANormen frühzeitig gewährleistet werden. Die von der EnFK erwünschte Überprüfbarkeit der Normen ist im Kanton Genf bereits durch die Pflicht zur Betriebsoptimierung sichergestellt. Im Sinne einer ganzheitlichen Optimierung der Gebäude sollte dabei nicht nur der Heizwärmebedarf betrachtet werden, sondern eine Gesamtbilanz Heizen, Kühlen, Lüften, Beleuchten und graue Energie gezogen werden. Ein erstes informelles Treffen mit Vertretern des BFE, der EnFK und des SIA hat am 12. Juni 2012 stattgefunden.

GIS-Energie
Massimiliano Capezzali vom Energy Center der EPFL stellte das Instrument MEU (Instruments innovants de planification et de Management de systèmes Energétiques en zones Urbaines) vor, das die vier Städte La Chaux-de-Fonds, Neuenburg, Lausanne und Martigny bereits anwenden. Das MEU ist eine gemeinsame Plattform der Energieunternehmen und der Gemeinden, welche die Planung der Netze sowie, mithilfe von Simulationen, die Abschätzung der Auswirkung von zukünftigen Massnahmen ermöglicht. In der EK-Arbeitsgruppe «GIS-Energie» wurde der Mehrwert einer GIS-basierten Lösung diskutiert, die Informationen liefert zum Angebot an Wärme und anderen Energieformen, zum Wärme- und Kältebedarf von Gebäuden sowie zum Potenzial für erneuerbare Energie und Wärmerückgewinnung in Gemeinden und Kantonen.

Da die Gebäudeeigentümer die Daten zum Energieverbrauch in das System einbringen müssten, ist noch zu klären, welcher Mehrwert für sie generiert würde. Möglich wären beispielsweise Aussagen zum Handlungsbedarf beim Erwerb einer Liegenschaft oder zu den Kosten einer energetischen Sanierung über den Lebenszyklus des Gebäudes. Das Wissen über den Gebäudepark Schweiz ist allerdings noch sehr dürftig. Es gibt wenige Zahlen und Abschätzungen zum Heizwärmebedarf. Auch ist kaum bekannt, wo bereits energetische Anstrengungen unternommen wurden und was deren Nutzen ist. Ein Monitoring als Teil des Massnahmenpakets der Energiestrategien 2050 des Bundes müsste also erst aufgebaut werden. Einer der Gründe für das spärliche Wissen zum Gebäudepark liegt im Datenschutz, der in der Schweiz generell sehr streng ausgelegt wird. Die rechtlichen Fragen um den Datenschutz will die EK darum durch den SIA-Rechtsdienst abklären lassen. Eine erneute Sitzung mit involvierten Bundesämtern wird im Oktober 2012 stattfinden.

Adrian Altenburger, Präsident der EK, präsentierte die Resultate einer Studie von Christian Bürgin (Amstein + Walthert) zur dezentralen Speicherung von Strom aus Fotovoltaikanlagen in einem Einfamilienhaus. Die Studie hat gezeigt, dass eine PV-Anlage mit Speicherung (Batterie) gegenüber einer Anlage mit Direkteinspeisung ins Netz unter den aktuellen Rahmenbedingungen erst nach rund fünf Jahren Laufzeit wirtschaftlich ist. Diese Zusatzanstrengung müsste im öffentlichen Interesse durch eine finanzielle Entlastung der Bürger gefördert werden. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass eine Stromautarkie von mehr als 80 % praktisch unmöglich ist. Die Rückspeiseleistung fällt ohne progressives Last- und Speichermanagement mit 86 % nur unwesentlich geringer aus als bei derselben Anlage ohne Stromspeichermöglichkeit.

Nationaler Standard
Gugerli, der für die Stadt Zürich bei der Entwicklung des neuen Standards für Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBCH) mitarbeitet, informierte abschliessend über den Projektstand: Zurzeit werden die Kriterien und Messgrössen erarbeitet, ab November soll mit einer Erprobungsphase gestartet werden, sodass die Dokumentation der Ergebnisse im Frühling 2013 verfügbar sein soll.

1 Die Studie «Grundlagen für einen Suffizienzpfad Energie» wird abrufbar sein unter:
www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen

Stefan Brücker, dipl. phys. ETH / SIA, Betreuer
Energiekommission SIA