12.07.2018 | sia online | Barbara Stettler

Fünf Jahre Raumkonzept Schweiz: Nicht alles überall

Im Juni feierte das Raumkonzept Schweiz sein fünfjähriges Bestehen. Die Leitidee des Konzeptes ist es, die Vielfalt, die Solidarität und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten – eine Herausforderung.

Seit der Einführung des Raumkonzeptes Schweiz vor fünf Jahren arbeiten nun der Bundesrat, die Konferenz der Kantonsregierungen, die Bau-, Planungs-und Umweltdirektoren-Konferenz, der Städte- sowie der Gemeindeverband zusammen, um die Lebensqualität in der Schweiz aufrecht zu erhalten und auch weiter zu verbessern. Aus der Leitidee des Raumkonzeptes ergeben sich fünf Ziele. Es sind dies die Siedlungsqualität und die regionale Vielfalt zu fördern, die natürlichen Ressourcen zu sichern, die Mobilität zu steuern, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Solidarität zu leben. Damit ist das Raumkonzept Schweiz ein Orientierungsrahmen. Alle fünf Jahre überprüfen die drei Staatsebenen zusammen, welche Umsetzungen konkret erfolgten. Die Zusammenarbeit der drei Ebenen ist gewiss eine grosse Herausforderung.

Keine zweite Chance
«Wir haben keine zweite Schweiz, die wir aus dem Keller holen können» sagte Renate Amstutz, Direktorin des Schweizerischen Städteverbandes, in ihrem Eröffnungsreferat anlässlich des Jubiläums am 14. Juni 2018 in Bern. Es gibt keine zweite Chance – wir müssen also sorgfältig mit unserem Land umgehen. Wir können es uns nicht leisten, uns auf die Metropolitanräume zu konzentrieren, deren Entwicklung voranzutreiben und den Graben zwischen grossstädtischen und eher ländlichen Räumen zu vertiefen – Räume die sich in der Planung von beispielsweise Siedlung, Landschaft oder Verkehr mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert sehen. Denn das ist längerfristig nicht zielführend. Die Regionen der Schweiz untereinander auszugleichen und überall in dieselben Ressourcen zu investieren ist nicht sinnvoll. Die Vielfalt der Gebiete bringt einen Reichtum an Möglichkeiten mit sich, die es zu erkennen und zu nutzen gilt.

Umsetzung bei Kantonen und Gemeinden
Es stellt sich die Frage, wie ein solches Konzept nun gelebt wird – wie die unterschiedlichen Charakteren berücksichtigt, die verschiedenen Entwicklungsgeschwindigkeiten zwischen urbanen und ländlichen Räumen abgefedert werden können. Auch stellt sich die Frage, wie aus den Agglomerationen attraktive Städte werden. Die Herausforderung, dies zum Gelingen zu bringen, liegt bei den Kantonen und vor allem bei den Gemeinden – auf sie kommt eine grosse Aufgabe zu. Sie stehen im Kontakt mit der Bevölkerung, müssen Worte in Taten umsetzen, müssen vermitteln, Rede und Antwort stehen.

Zukunftsbild des Lebensraumes Aargau
Einen Ansatz, für die Zukunft zu planen, zeigte an der Tagung die Gruppe Bibergeil (www.bibergeil.ch) mit ihrem raumplanerischen Konzept, das sie mittels Plänen und einem vereinfachten Raummodell darstellt. Das Team von Architekten und Landschaftsarchitekten aus dem Aargau kennt seinen Kanton sehr gut, identifiziert sich mit ihm und seiner Lage innerhalb der Schweiz. Bibergeil ergreift die Initiative, grossräumig und vernetzt zu denken und so das Potenzial der Region herauszukristallisieren und zu stärken. Mit einer Zeitung und dem grossen Raummodell, das etwas an ein Schulprojekt erinnert, ermuntern die Planer die Öffentlichkeit zum Gedankenspiel, bringen ihren Diskurs unter die Bevölkerung und animieren so eine breit abgestützte Debatte. Es geht dabei auch um die gegenseitige Sensibilisierung und den Diskurs, was die Gruppe Bibergeil auf ihrer Webseite folgendermassen erläutert: «Gestaltung unseres Lebensraums ist nicht nur eine planerische Angelegenheit, sondern vielmehr ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess, in dem die unterschiedlichsten Interessen zu gewichten sind».

Wie das Ganze zusammenhalten?
Die Umsetzung des Raumkonzeptes steht noch in seinen Anfängen. Es gibt viele gute lokale, regionale oder überregionale Initiativen. Darüber hinaus bleibt die Frage: Wie halten wir das Ganze – das Unterfangen «Raumkonzept Schweiz», die Schweiz als Land – zusammen? Wie stärken wir eine gemeinsame Identität, ohne die Individualität zu gefährden?

Nutzen wir die Ferienzeit, um die Schweiz zu beobachten, zu erleben und zu verstehen: In zwei Stunden Zugfahrt befinden wir uns in einer anderen Sprachregion, einer anderen Kultur. Eine so grosse Bereicherung. Eine so grosse Herausforderung.

Strategie 1: Handlungsräume bilden und das polyzentrische Netz von Städten und Gemeinden stärken. Schweizerischer Bundesrat, KdK, BPUK, SSV, SGV (2012): Raumkonzept Schweiz. Überarbeitete Fassung, Bern.