30.11.2012 | tec21 | Thomas Müller

DV 2/2012: Vereinsstatuten revidiert

Die Delegierten des SIA haben die revidierten Vereinsstatuten verabschiedet und der Publikation der überarbeiteten Norm SIA 118 «Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten» zugestimmt. Die Veröffentlichung der neuen Ordnung SIA 144 «für Ingenieur- und Architekturleistungsofferten» wurde knapp abgelehnt.

Anlässlich ihrer zweiten Versammlung dieses Jahres am 10. November in Schaffhausen hatten die Delegierten des SIA über bedeutsame Geschäfte zu befinden, was eine Verlängerung bis in die frühen Abendstunden erforderte. Nach rund sieben Stunden intensiver Diskussion stimmten die Delegierten schliesslich folgenden Anträgen zu: der für die Organisationsentwicklung notwendigen Statutenrevision (vgl. TEC21 42-43, S. 38– 39), der Publikation der zentralen Norm SIA 118 Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten sowie dem Budget 2013. Keine zustimmende Mehrheit – wenn auch nur sehr knapp – erhielt die Publikation der schon lang erwarteten Ordnung SIA 144 für Ingenieur- und Architekturleistungsofferten.

Absolut unumstritten war hingegen die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Klaus Fischli für sein langjähriges, aussergewöhnliches Engagement im Dienste des SIA. Fischli arbeitete vom November 1982 bis Dezember 2006 im Generalsekretariat des SIA. Als Verantwortlicher für die Hochbaunormen begleitete er von 1987 bis in die zweite Hälfte der 1990er- Jahre die damals neu im SIA aufkommenden Themen Ökologie, Umwelt und Nachhaltigkeit. Ab 1995 gehörte das Wettbewerbswesen und nach 2000 überdies die Betreuung der neu geschaffenen Berufsgruppen zu seinem Verantwortungsbereich. Unter stehenden Ovationen nahm Fischli den Dank der Direktion und der Delegierten entgegen.

Statutenrevision

Mit Genugtuung nahm die Direktion den Entscheid der Delegiertenversammlung entgegen, die zum Schluss mit 44 zu zwei Stimmen (bei vier Enthaltungen) ihrem Statutenrevisionsvorschlag gefolgt war. Die neuen Statuten treten am 1. Januar 2013 in Kraft. Sie sollen in erster Linie dazu verhelfen, die Effizienz und Effektivität der Vereinsaktivität zu optimieren, die Verantwortlichkeiten klarer zu regeln und die Entscheidungsprozesse zu professionalisieren. Die wichtigsten Neuerungen sind: ein grösserer Einfluss der Delegiertenversammlung, die neu auch über die Vereinspolitik und die strategischen Themenfelder befinden wird.

Ebenfalls neu werden die Delegierten künftig fest für zwei Jahre von ihrer Sektion oder Berufsgruppe mandatiert. Anstelle der bisherigen Präsidentenkonferenz, an der alle Präsidenten und Präsidentinnen der Sektionen, Berufsgruppen und Fachvereine zwei Mal jährlich vor der Delegiertenversammlung zusammenkamen, werden künftig einmal jährlich eine Sektions- bzw. eine Berufsgruppenkonferenz stattfinden. Beide Konferenzen haben zudem ein Antragsrecht an die Direktion. Die Mitgliedschaftskategorien Assoziierte Mitglieder und Partnermitglieder werden aufgehoben. Dafür wird, in Ergänzung zur Einzel-, Ehren- und Firmenmitgliedschaft, eine eigenständige Kategorie für Studentinnen und Studenten geschaffen.

Und schliesslich werden die heutige Direktion neu als Vorstand und das Generalsekretariat neu als Geschäftsstelle bezeichnet, sodass der SIA in Zukunft keinen Generalsekretär mehr hat, sondern einen Geschäftsführer. Die Berufsgruppe Technik/Industrie wird neu Technik heissen und die Berufsgruppe Boden/Wasser/ Luft Umwelt. Die Namen der Berufsgruppen Architektur und Ingenieurbau werden beibehalten. In zwei nicht unwesentlichen Statutenänderungen sind die Delegierten der Direktion aber nicht gefolgt: Zur Förderung der interdisziplinären Sichtweise und der Meinungsvielfalt, und im Sinne einer respektvollen Partnerschaft, beabsichtigte die Direktion die Sitzverteilung an der Delegiertenversammlung sowohl zwischen den Sektionen und den Berufsgruppen als auch unter den Sektionen und den Berufsgruppen selber paritätisch zu gestalten. Jede der 18 Sektionen hätte dazu in Zukunft aus dem Kreis ihres Vorstands zwei und jede der vier Berufsgruppen aus ihrem Rat neun Delegierte wählen und an die Delegiertenversammlung entsenden können. Während an der neuen, absoluten Anzahl Delegierter (72) nichts beanstandet wurde und auch die paritätische Einsitznahme der Sektionen einem Rückkommensantrag der Westschweizer Sektionen standhielt, wurde die Parität unter den Berufsgruppen schliesslich abgelehnt.

Der entsprechende Antrag war von der Berufsgruppe Architektur gestellt und von der Berufsgruppe Ingenieurbau unterstützt worden. In ihrer Begründung beriefen sich die Berufsgruppen auf ihr demokratisches Verständnis, wonach es unerlässlich sei, dass die unterschiedlichen Mitgliederzahlen in den Berufsgruppen auch an der Delegiertenversammlung abgebildet werden. Mit anderen Worten: Die den Berufsgruppen insgesamt zur Verfügung stehenden 36 Sitze werden neu, entgegen dem Vorschlag der Direktion, proportional und entsprechend der jeweiligen Mitgliederzahl auf die einzelnen Berufsgruppen verteilt. Eine Einschränkung gibt es aber: Keine der Berufsgruppen darf das alleinige Mehr von über 18 Stimmen innehaben und keiner der Berufsgruppen werden weniger als vier Sitze zugesprochen. Dadurch dürfen die Architekten in Zukunft rund die Hälfte, die Bauingenieure gegen zehn und die Berufsgruppen Technik und Umwelt je vier Delegierte stellen.

SIA 118

Wie schon im Vorfeld zur Delegiertenversammlung liess sich auch in Schaffhausen Peter Gauch, Professor für Vertrags- und Haftpflichtrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg und Ehrenmitglied des SIA, zur Revision der Norm SIA Norm 118 verlauten. Nach einer Einführung ins Thema durch Adrian Altenburger, Direktionsmitglied und Präsident der Zentralen Normen- und Ordnungskommission, hatte SIA-Präsident Stefan Cadosch – im Sinn einer Offenlegung der Argumente – Gauch dazu eingeladen, der Versammlung seine Bedenken darzulegen. Diese lauteten: Die mittleren und kleinen Bauherren seien bei der Überarbeitung der Norm nicht beigezogen worden. Damit sei die Parität, eines der Grundprinzipien bei der Erarbeitung von SIA-Normen und -Ordnungen, nicht gewährleistet gewesen. Des Weiteren seien viele sprachliche Anpassungen vorgenommen worden, die nicht nötig gewesen wären, dafür aber wichtige Probleme wie die Regelung der Nachtragspreise nicht angegangen worden.

Hans Ruedi Spiess, Präsident der Kommission SIA 118, verstand es anschliessend, die überwiegenden Vorteile der Revision zu vermitteln. Insbesondere unterstrich er, dass die Überarbeitung der Norm vom Anspruch geleitet worden sei, die Gewichtung der Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien nicht zu verändern. Im Zweifel habe die Kommission die bestehenden Regelungen beibehalten, statt eine Verschiebung der Kräfte vorzunehmen. Dies habe mitunter dazu geführt, dass der Hauseigentümerverband, der keine bessere Situation für die von ihm vertretenen kleinen und mittleren Bauherrschaften erreichen konnte, schliesslich auf eigenen Wunsch aus der Kommission ausgetreten sei. Die Delegierten folgten dem Antrag von Spiess und Altenburger und stimmten der Publikation der überarbeiteten Norm SIA 118 mit 26 zu 12 Stimmen zu. 

SIA 144

Die Ordnung SIA 142 für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe und die Ordnung SIA 143 für Architektur- und Ingenieurstudienaufträge regeln die sogenannte lösungsorientierte Beschaffungsform. Die ihr gegenüberstehende und weitaus häufiger zur Anwendung gelangende leistungsorientierte Beschaffungsform ist bis heute nicht durch den SIA geregelt. Diese grosse Lücke wollte die Direktion des SIA mit der neuen Ordnung SIA 144 für Ingenieur- und Architekturleistungsofferten endlich schliessen. Darauf muss nun aufgrund des nur knapp abgelehnten Antrags (20 zu 18 Stimmen) weiterhin gewartet werden.

Auch wenn im Saal ein eindeutiger Konsens darüber herrschte, dass es die Ordnung SIA 144 dringend braucht, folgten insbesondere die anwesenden Architektinnen und Architekten der schon im Vorfeld zur Delegiertenversammlung verlauteten Ablehnungsempfehlung der Wettbewerbskommission des SIA und des Bundes Schweizer Architekten (BSA). Während einige Kritiker im Raum meinten, es handle sich nur noch um wenige kleine Begriffsklärungen, so war bei anderen ein grundlegendes Misstrauen zu spüren. Laut Daniel Meyer, Direktionsmitglied und Präsident der Kommission SIA 144, beruht dieses Misstrauen auf der Befürchtung, die Ordnung SIA 144 könnte die bewährten Ordnungen SIA 142 und SIA 143 aushebeln – eine Befürchtung, die laut Meyer unbegründet ist. Handelt es sich tatsächlich nur um Begriffspräzisierungen, was die eigens dazu durchgeführte Konsultativabstimmung auch geschlossen bestätigte, dürfte trotz allem innert nützlicher Frist – sprich an der nächsten Delegiertenversammlung im Mai 2013 – mit der Freigabe der Publikation gerechnet werden.

Thomas Müller, Leiter Kommunikation SIA