24.09.2012 | tec21 | Jean-Pierre Wymann

20 Jahre Engagement für die Baukultur

Das Präsidium der Wettbewerbskommission tritt nach elf Jahren zurück. Blaise Junod als Präsident und Regina Gonthier als Vizepräsidentin haben nicht nur im Wettbewerbswesen, sondern auch im Beschaffungswesen wesentliche Impulse gesetzt. Seit Juli 2012 präsidieren der Architekt Rudolf Vogt und die Landschaftsarchitektin Sibylle Aubort Raderschall die Wettbewerbskommission.

Die Aufgaben der Wettbewerbskommission des SIA sind vielfältig: Sie ist zuständig für Programmbegutachtungen, Stellungnahmen und Gutachten. Zudem erlässt sie Erläuterungen und Kommentare zur Interpretation und Anwendung der Ordnungen für Wettbewerbe und Studienaufträge. Mit dem Ziel, die Wettbewerbskultur in der Schweiz zu er­halten und zu fördern, betreibt sie auch Öffentlichkeitsarbeit.
Regina Gonthier und Blaise Junod wurden beide 1992 Mitglieder der Wettbewerbskommission des SIA. In dieser Zeit fanden grosse Umwälzungen sowohl auf der gesetzlichen Ebene des Beschaffungswesens als auch im Bereich der Wettbewerbsordnungen des SIA statt. Nach dem Abschluss des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen 1994 musste auch das Wettbewerbswesen auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden. Mit dem Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) und der entsprechenden Verordnung (VöB) wurde der Wettbewerb als Beschaffungsform auf Bundes­ebene gesetzlich verankert.

Neue Wettbewerbsordnung
Die neuen gesetzlichen Grundlagen führten dazu, dass die beiden Wettbewerbsordnungen 152 für Architekten und 153 für Ingenieure auf die VöB abgestimmt und in der neuen Ordnung SIA 142 für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe zusammengeführt wurden. Nach langwierigen und zähen Verhandlungen der paritätisch zusammengesetzten Gruppe aus Vertretern öffentlicher und privater Bauherren sowie einer Delega­tion der Wettbewerbskommission des SIA konnte 1998 die neue Wettbewerbsordnung SIA 142 publiziert werden. Blaise Junod wurde im selben Jahr Mitglied der Direktion des SIA und übernahm das Präsidium der Wettbewerbskommission als Nachfolger von Timothy Nissen. Kurz darauf, im Jahr 2001, wurde Regina Gonthier zur Vizepräsidentin gewählt.
Zu den grossen Leistungen des Präsidiums gehören die Revision der Ordnung SIA 142 für Wettbewerbe und die Erarbeitung der neuen Ordnung SIA 143 für Studienaufträge, die beide 2009 publiziert wurden (vgl. TEC21 42-43/2009). Bereits 1877 hatte der SIA erste Regelungen für Wettbewerbe publiziert. Seit je wurden Wettbewerbe grundsätzlich anonym durchgeführt. Es gibt aber bestimmte komplexe Aufgabenstellungen, deren Rahmenbedingungen im Voraus nicht genügend und abschliessend festgelegt werden können. Bei diesen Aufgaben können die Programmbestimmungen auf interaktive und ­flexible Art präzisiert und vervollständigt werden. Dazu werden die Lösungsvorschläge im direkten Dialog zwischen Teilnehmern und Beurteilungsgremium entwickelt. Um dem vermehrten Bedürfnis nach nicht anonymen Verfahren mit Dialog zu entsprechen, hat das Präsidium die Erarbeitung der neuen Ordnung SIA 143 für Studienaufträge in die Wege geleitet. Sie bildet eine gute Grund­lage, um die Gesetzeslücken im öffentlichen Beschaffungswesen zu schliessen. In der Teilrevision der VöB vom 10. August 2010 wird der Dialog lediglich erwähnt, nicht aber ausreichend geregelt.

Beschaffungswesen national und International
Blaise Junod hat viel zur Klärung der Begriffe und zu einer kohärenten Systematik auf dem Gebiet des Beschaffungswesens beigetragen. Er war massgeblich an der Dokumentation des SIA Vergabe von Planeraufträgen – Empfehlungen für die Bereiche Architektur, Ingenieurwesen und für verwandte Branchen (D 0204, 2004) beteiligt. Dabei konnte er seine profunden Kenntnisse auf dem Gebiet des Beschaffungswesens, insbesondere der drei Beschaffungsformen Wettbewerb, Studienauftrag und Leistungsofferte, einbringen. Seinem grossen Engagement und seinen direkten Kontakten zu Auftraggebern und Wettbewerbsbegleitern ist es zu verdanken, dass in der welschen Schweiz auffallend viele Wettbewerbe und Studienaufträge nach den Ordnungen des SIA durchgeführt werden. Regina Gonthier war Vorsitzende der Arbeitsgruppe zur Revision der Ordnung SIA 142 und zur Erarbeitung der neuen Ordnung SIA 143. Sie hat die Verhandlungen mit den Planerverbänden und Auftraggeberorganisationen geführt und so entscheidend dazu beigetragen, dass die beiden Ordnungen breit akzeptiert wurden.
Regina Gonthier hat die Wegleitungen zu den beiden Ordnungen für Wettbewerbe und Studienaufträge kontinuierlich ausgebaut und ihren grossen Erfahrungsschatz auf dem Gebiet des Wettbewerbswesens eingebracht. Wegleitungen sind praxisnahe Instrumente, mit denen flexibel auf die Erkenntnisse aus der Anwendung der Ordnungen reagiert werden kann. Sie können kostenlos von der Website des SIA ­her­unter­geladen werden unter: www.sia.ch/142i. Als Gründungsmitglied und spätere Präsidentin der Conférence Suisse des architectes (CSA) verfolgt Regina Gonthier die Entwicklung des Beschaffungswesens in der Europäischen Union und auf internationaler Ebene. Dieser Dachverband vertritt die Berufsverbände SIA, Bund Schweizer Architekten (BSA) und Verband freierwerbender Schweizer Architekten (FSAI) in den internationalen Organisationen Conseil des architectes d’Europe (CAE) und Union internationale des architectes (UIA).

Rechtssicherheit und Fairness
Das grosse Engagement von Blaise Junod und Regina Gonthier verdient nicht nur ­wegen ihrer anerkannten Kompetenz im Beschaffungswesen, sondern auch wegen ihres unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatzes in den letzten zwanzig Jahren grosse Anerkennung. Ihnen ist es gelungen, wertvolle Instrumente für Wettbewerbe und Stu­dienaufträge zu schaffen, die den Auslobern grosse Rechtssicherheit bringen und den Teilnehmenden faire Verfahren zusichern. Ihr Anliegen war es, die Bedürfnisse beider ­Seiten zu berücksichtigen und diese normativ umzusetzen. Für ihren Einsatz, mit dem sie massgeblich zum Erhalt und zur Förderung der Wettbewerbs- und Baukultur beigetragen haben, sei ihnen an dieser Stelle im Namen des SIA herzlich gedankt.